Montag, April 11, 2005

taz 11.4.05 Wo das Herz rechts schlägt

Drinnen im "Kneipl" hängen Ansichtskarten von Alt-Annaberg, auch ein Porträt von Johann Sebastian Bach. "Eigentlich hingen auch Goethe und Schiller hier, aber die mussten den Bildern weichen", erklärt Pächter Ingo le Beau, der stämmige 40-Jährige mit hugenottischen Vorfahren. Die Bilder - das sind Odin mit Speer und Falke sowie Thor mit dem Hammer, beide in düsterem Öl gehalten. Ein wenig altgermanischen Kitsch braucht es schon im Kneipl, der Gaststätte im Erzgebirgsstädtchen Annaberg-Buchholz. Jahrelang tagte der NPD-Landesvorstand Sachsen hier, und heute noch trifft sich der Kreisvorstand im Kneipl. Die NPD-Stammkneipe und ihre Gäste passen nicht so recht in das Bild, das die aus den alten Bundesländern kommenden Scharfmacher im Sächsischen Landtag abgeben. Und sie passen auch nicht zur offenen Kungelei der NPD mit militanten Neonazis. Wiewohl Rechtsradikale im Straßenbild kaum zu finden sind, hat die NPD bei den Landtagswahlen im letzten September hier 14 Prozent geholt. Die Leute hier haben nicht Hetz-Rhetoriker wie den Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel, 34, gewählt. Sondern Biedermänner, die den Leuten in der abgehängten Region das Gefühl gaben, die NPD setze sich für sie ein. Die Fremdenhass und Geschichtslügen mit sanften Worten rechtfertigen. Man braucht sich gegenseitig: die Ideologen ihre volksverbundenen Vermittler zur Wählerbasis, und die NPDler mit Ostbiografie die Verbalartillerie aus dem Westen. Le Beau ist einer dieser Vermittler. "Wer Stress macht, darf gehen", verkündet der Pächter des Kneipls. Das Gasthaus stehe jedermann offen, auch Ausländer gehörten zur Stammkundschaft. Einer älteren Dame etwa, die kurioserweise mit einem Türken verheiratet sei, will er Hausverbot erteilt haben, weil sie das Hissen einer Hakenkreuzfahne verlangt habe. Was le Beau erzählt, klingt nach einer Mischung aus Geschäftssinn und Überzeugung. "Das ist mein Geschäft", sagt er, "ich lebe davon." Das Haus freilich gehört nach wie vor dem ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Günter Deckert aus Heidelberg. Der 65-Jährige ist wegen Volksverhetzung, Rassismus und Holocaust-Leugnung mehrfach vorbestraft. Deckert entdeckte 1990 bei seinem ersten NPD-Werbefeldzug durch den Osten seine Liebe zum Erzgebirge. Auf Ingo le Beau machte der Rechtsextreme Deckert damals "auf Anhieb einen sympathischen Eindruck". Ebenso wie der heutige NPD-Landtagsabgeordnete Klaus Baier, der 1999 mit 15 Gesinnungsgenossen den Kreisverband Annaberg gegründet hat. Durch Baier kam le Beau im letzten Jahr Jahr zur NPD, und Deckert bot ihm mit der Kneipe auch gleich einen Job.

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