Donnerstag, Januar 26, 2006

taz 26.1.06 "Rechtsextremismus wird Alltagskultur"

Rechtsextreme gehören in vielen Stadtteilen in Nordrhein-Westfalen zum Straßenbild. Rechtsextremismus-Forscher Martin Langebach über lockende Machtgefühle und eine demonstrationsmüde Bevölkerung taz: Herr Langebach, in NRW werden immer mehr rechtsextreme Straftaten verübt. Ein Strategiewechsel der rechten Szene? Martin Langebach: Eine zentrale rechte Strategie gibt es nicht, die verschiedenen Organisationen handeln weitestgehend unabhängig voneinander. Was sich in NRW verändert hat, ist die Präsenz der Rechte: Sie ist deutlich gestiegen, ebenso wie das rechte Selbstbewusstsein. Vor allem im Raum Dortmund entstehen Territorien, in denen Rechtsextreme regelmäßig öffentlich auftreten und schon zum alltäglichen Straßenbild gehören - Phänomene, die man bislang nur aus Ostdeutschland kannte. Die verstärkte Präsenz geht natürlich einher mit Verstößen gegen die Verfassung. Woher kommt das gestiegene Selbstbewusstsein? Vor allem durch den ebenfalls gestiegenen Zuwachs. Gleichzeitig wird den Rechtsextremen immer weniger entgegengesetzt, weil sie langsam aber sicher zum Bestandteil des Alltags werden. Je häufiger es rechtsextreme Demonstrationen gibt, desto weniger Menschen gehen zu Gegendemonstrationen. Das kann man inzwischen leider beobachten. Die Leute haben eben keine Lust mehr, jedes Wochenende zu einer Demo zu gehen. Rechtsextremismus ist eine Alltagskultur geworden, was ihn besonders gefährlich macht, weil er so immer breitere Bevölkerungsschichten erreichen kann. Wie funktioniert denn der Einstieg in die rechte Szene? Rekrutierung läuft in erster Linie über Rechtsrock und im Ruhrgebiet noch über die Fußball-Hooliganszene. Angesprochen werden vor allem junge Erwachsene, denen über diese Subkulturen rechtsextreme Einstellungen nahe gebracht werden.

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