Freitag, Januar 27, 2006

taz 27.1.06 Die Beraterbank der SS

Am 27. Januar 1945 stießen Soldaten der Roten Armee bei ihrem Vormarsch nach Westen in einem Ort bei Krakau auf ein Lager. Es war weitgehend verlassen. Achttausend meist apathische, halb verhungerte Häftlinge waren noch dort. Die SS hatte das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau geräumt. Über eine Million Menschen wurden dort ermordet. Die Infrastruktur für den industriellen Massenmord hatte unter anderem die Breslauer Firma Huta geliefert. Im Sommer 1942 hatte der Baukonzern in Auschwitz den Auftrag übernommen, Krematorien mit integrierten Gaskammern zu bauen - das Herzstück der Vernichtungsmaschine. 133.741,65 Reichsmark kassierte die Firma dafür von der SS-Zentralbauleitung. Im April 1943 beendeten Huta-Arbeiter ihr Werk, indem sie die Türen der Gaskammern einsetzten. Hinter der Huta stand ein einfluss- und traditionsreiches Unternehmen: die Dresdner Bank, die Großaktionär bei der Firma war und den Aufsichtsratsvorsitzenden stellte. Ohne die Bank ging nichts bei der Huta. Die Huta ist nur ein Mosaikstein in einem finsteren Bild - der engen Verflechtung von Dresdner Bank und NS-Staat. Die Bank wickelte einen Großteil der Bankgeschäfte der SS ab und profitierte von der Expansion des Reiches im Osten. Kein anderes Geldinstitut, auch die Deutsche Bank nicht, war so direkt in die Verbrechen des NS-Staates involviert. Das ist das Resümee einer fast 2.400 Seiten starken historischen Studie über die Rolle der Dresdner Bank 1933 bis 1945. Die Bank hatte sie 1997 unter öffentlichem Druck in Auftrag gegeben. Die Lektüre dürfte für einige in der Dresdner Bank eine echte Überraschung sein. Denn fast fünfzig Jahre lang war es der Bank gelungen, eine geradezu Schwindel erregende Fälschung der eigenen Firmengeschichte in Umlauf zu halten. Nach 1945 gelang es, trotz des schon damals erdrückenden Beweismaterials, eine zweckmäßige Entschuldungslegende durchzusetzen. Schuldig gemacht hätten sich allenfalls Einzelne, etwa der Vorstandssprecher Karl Rasche, der vor dem Nürnberger Militärtribunal verurteilt wurde. Die Bank als Ganzes hingegen sei in schwieriger Zeit und trotz des Drucks des NS-Systems anständig geblieben. Das hatte mit der Realität wenig zu tun, wurde aber Ende der Vierziger gern geglaubt. Der Kalte Krieg hatte begonnen, und in Westdeutschland fragten auch die Alliierten längst nicht mehr so genau nach wie noch 1945.

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