Mittwoch, Dezember 15, 2004

Jungle World 52/2004 Antifa- Rechts, zwo, drei, vier

Immer offener zeigt der ehemalige KSK-Kommandeur Reinhard Günzel seine rechtsextreme Gesinnung. In der Generalität sind solche Überzeugungen weit verbreitet Die NPD ist beeindruckt. »Erstaunlich kompromiss- und schonungslos«, berichtet der Göttinger Kreisverband der Partei, habe General a.D. Reinhard Günzel »mit dem noch bestehenden BRD-System« abgerechnet. »Rund 90, größtenteils geladene Gäste« seien anwesend gewesen, als der zwangspensionierte Soldat Ende November vor den Göttinger Burschenschaften Holzminda und Hannovera referierte, heißt es in dem Bericht der NPD über die Veranstaltung. Dass Günzel dabei »ganz und gar auf irgendwelche ›Distanzierungen‹ verzichtete«, hält der Autor für höchst »erfreulich«. Reinhard Günzel kann sich offene Worte leisten. Am 4. November 2003 wurde der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) fristlos entlassen, weil er dem Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) eine Solidaritätsadresse hatte zukommen lassen. »Eine ausgezeichnete Ansprache«, hieß es in Günzels Schreiben über die antisemitische Rede Hohmanns, die dieser am 3.Oktober 2003 gehalten hatte. »Mutig weiterhin Kurs halten«, empfahl der Soldat dem Politiker. Das kostete Günzel den Job, befreite ihn aber zugleich vom Zwang zu politischer Rücksichtnahme. Seitdem erlebt die Öffentlichkeit einmal mehr, was in den oberen Etagen der Bundeswehr durchaus verbreitet ist: extrem rechte Gesinnung. Nachzulesen sind entsprechende Aussagen etwa in der Rede, die Günzel im Mai vor dem Institut für Staatspolitik, das der Wochenzeitung Junge Freiheit nahe steht, gehalten hat. Das Thema des Abends lautete: »Meinungsfreiheit und Tabu«. Der General beklagte dort die »vielen Tabus, die uns verbieten, historische Wahrheiten auszusprechen«: den »Zwang, der ›Singularität des Holocaust‹ unsere Reverenz zu erweisen«, wie die »Verpflichtung, die im Nürnberger Prozess von den Siegermächten getroffenen Feststellungen auf alle Zeiten anzuerkennen«. Alles »Denkverbote«, ereiferte sich Günzel und beklagte das »geistige Todesurteil für jede freie Gesellschaft«. Hochrangige Militärs äußern nach ihrem Abschied von der Armee oft derlei Ansichten. Ein Vorbild sei für ihn der Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, früher einmal höchster Offizier in Niedersachsen, sagte Günzel der taz. Schultze-Rhonhof veröffentlichte im vorigen Jahr ein Buch mit dem Titel: »1939 – der Krieg, der viele Väter hatte«. »Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Zweite Weltkrieg zwar von Hitler begonnen, jedoch von Staatsmännern aus England, Frankreich und Amerika ›angezettelt‹ worden ist.« So hieß es damals in einer Rezension in einer Zeitschrift des in Nordrhein-Westfalen stark rechts orientierten Bundes der Selbstständigen. Diesen Revisionismus teilen auch andere ehemalige Bundeswehroffiziere. »Erich Ludendorff und seine Zeit« heißt ein Buch, das Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler bei der extrem rechten Verlagsgemeinschaft Berg veröffentlichte. Der programmatische Untertitel der Biographie, die den Mann porträtiert, der 1923 gemeinsam mit Adolf Hitler einen Putschversuch unternahm, lautet: »Eine Neubewertung«. Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler publizierte im Verlag Hohenrain »Die Überwindung der Canossa-Republik«. Vielsagend heißt es in der Verlagsankündigung: »Der Autor rührt an weithin verschwiegenen Tatsachen und bricht lange aufrechterhaltene Tabus.« Das wichtigste der vermeintlichen Tabus betrifft den revisionistischen Generälen zufolge die Wehrmacht. »Eine Tradition wird immer begründet im Gefecht, sozusagen auf dem Schlachtfeld«, sagte Günzel im Sommer der österreichischen Zeitschrift Aula, die rechten Burschenschaften nahe steht. Wolle man die Bundeswehr »von den großen preußischen Traditionen« abschneiden, meinte er, sei man »mit Sicherheit auf der ganzen Linie zum Scheitern verurteilt«. Das Konstrukt einer »sauberen Wehrmacht« setze sich in der Bundeswehr immer durch, warnte Detlev Bald, der bis 1996 am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr tätig war, bereits im Jahr 1998. Es verbinde sich mit einem neuen Soldatenideal, einem »Kämpferbild«.

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