Dienstag, Juni 08, 2004

junge welt vom 05.06.2004 - Massaker verjähren nicht

Am 10. Juni 1944 ermordete die Waffen-SS die Einwohner von Oradour-sur-Glane in Südwestfrankreich: Tatsachen und Lügen, Hintergründe und juristische Nachspiele Unmittelbar nach der britisch-amerikanischen Landungsoperation am 6. Juni 1944 in der Normandie warfen die deutschen Besatzungstruppen alle verfügbaren Reserven an die Front im Norden Frankreichs. Zu den vom Süden des okkupierten Landes aus in Marsch gesetzten Einheiten gehörte auch die SS-Panzerdivision »Das Reich«. Doch die von Brigadeführer Heinrich Lammerding kommandierten Einheiten hatten es offenbar nicht sonderlich eilig, an diese Front zu kommen. Sie waren erst im Dezember 1943 als kampfunfähig aus der Sowjetunion abgezogen worden; im Süden Frankreichs hatten sie sich bisher vor allem bei der Bekämpfung der Widerstandsbewegung unrühmlich hervorgetan. Erst am 5. Juni hatte SS-General Lammerding in einer Denkschrift für das übergeordnete Generalkommando des Panzerkorps verlangt, einen Keil zwischen Bevölkerung und Widerstandskämpfer, von ihm »Terroristen« genannt, zu treiben, indem letztere als kommunistische Unruhestifter diskriminiert werden sollten. Zusätzlich forderte er die rigorose Anwendung der bereits im Osten praktizierten Geiselerschießungen; für jeden im Kampf gefallenen deutschen Soldaten sollten zwecks Abschreckung zehn Franzosen gehenkt werden. Eine erste Kostprobe dieser vom Generalkommando gebilligten Mörderdoktrin lieferten seine Truppen bereits am 9. Juni in der 20 000 Einwohner zählenden Kleinstadt Tulle im Department Haute Vienne.

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