Freitag, Oktober 01, 2004
Frankfurter Rundschau online - Kamerad Glaubenskrieger
Seit acht Jahren ist Udo Voigt Vorsitzender der NPD - nicht Politik, sondern Weltanschauung ist sein Programm
Die Frage, ob Adolf Hitler ein "großer deutscher Staatsmann" war, hat die Geschichte längst abschlägig beschieden. Ob es auch strafbar ist, den Diktator mit diesen Worten zu würdigen, mit dieser Frage beschäftigt sich jetzt die Justiz. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt hat Hitler so genannt, aber schnell noch hinzugefügt, dass dieser letztlich "die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands" trage. Nach Ansicht der Berliner Staatsanwaltschaft könnte Udo Voigt Propagandamittel einer verfassungswidrigen Organisation verwendet und das Dritte Reich glorifiziert haben. Die Provokation ist gelungen, aus einer Bemerkung ist ein Politikum geworden. Udo Voigt freut es, seine Kameraden auch. Einmal mehr sehen sie sich in ihrem Weltbild bestätigt, es gibt keine Demokratie in Deutschland, keinen Rechtsstaat, keine Meinungsfreiheit.
Provokationen wie diese gehören zum Erfolgsrezept des NPD-Chefs. Seit die NPD vor knapp zwei Wochen in den sächsischen Landtag eingezogen ist, hat Udo Voigt besonderen Spaß an dem Spiel mit zweideutigen Formulierungen und kontrolliertem Tabubruch. Für ihn ist es ein Spiel, dass er nicht verlieren kann. Entweder kann er sich als Märtyrer präsentieren oder er kann schon bald verkünden, dass selbst die Systemjuristen nichts gegen eine solche Würdigung des "Führers" hätten. Justiz als Wahlhelfer, Voigt ist es recht. Auch deshalb bedankte er sich schon am Wahlabend in Dresden artig bei Bundesinnenminister Otto Schily, denn ohne das gescheiterte Verbotsverfahren, das räumt der NPD-Chef ein, wäre dieser Wahlerfolg nicht möglich gewesen.
Zweifelsfrei ist der 52-jährige Udo Voigt der Vater des NPD-Erfolges in Sachsen. Als der Politologe und ehemalige Hauptmann der Bundeswehr vor acht Jahren den Vorsitz der NPD übernommen hatte, war die Partei bedeutungslos, zerstritten und im Grunde pleite. Der damalige Vorsitzende Günter Deckert saß im Knast, weil er den Holocaust geleugnet hatte, die Mitglieder rannten in Scharen davon. Udo Voigt aber hat schnell erkannt, dass die Zukunft der Partei im Osten liegt. Dort hatte sich nach der Wende eine rechtsextreme jugendliche Subkultur etabliert, gleichzeitig fehlten zivilgesellschaftliche Strukturen. Also zog die NPD-Zentrale von Stuttgart nach Berlin-Köpenick, der parteieigene Verlag ins sächsische Riesa. Udo Voigt öffnet die Partei für militante Skinheads, sucht die Zusammenarbeit mit neonazistischen Kameradschaften. Er hat ambitionierte Mitstreiter um sich gesammelt und aus dem Deutsche-Stimme-Verlag eine mit mehr als sechs Millionen Euro Jahresumsatz florierende mittelständische Firma geformt. Der Wahlerfolg in Sachsen gibt ihm Recht und macht ihn gleichzeitig erfolgstrunken.
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