Donnerstag, September 23, 2004

Die Zeit - Der braune Pop

Die Wahlerfolge von NPD und DVU in Ostdeutschland lassen sich nicht allein mit Protest erklären. Die Rechte hat eine Jugendkultur hervorgebracht, die viele anzieht Vergessen wir für einen Moment die Wahlergebnisse des vergangenen Wochenendes und schauen uns einen Pullover an, denn er sagt mehr über den Rechtsextremismus in Ostdeutschland als die Prozente von NPD und DVU: Wer als Neonazi wirklich etwas auf sich hält (und wer es sich leisten kann), trägt neuerdings Thor Steinar. So heißt die erste Designermarke von und für Rechte, gegründet vor zwei Jahren von ein paar Jungmännern aus der brandenburgischen Provinz. Die Qualität der Strickwaren hebt sich ab von den vielen üblichen Billigimporten. Die Schnitte sehen wirklich gut aus. Die Bestellseite im Internet macht einen edlen Eindruck. Und das Markenlogo ist so gestaltet, dass es nur Insider entschlüsseln können: Zwei altgermanische Runen sind darin zusammengesetzt, die Tyr- und die Gibor-Rune. Die erste ist nach dem nordischen Kriegsgott benannt und wurde unter Hitler im Abzeichen der Reichsführerschulen verwandt. Die zweite Rune war das Erkennungszeichen der Nazi-Werwolf-Einheiten. Solche Anspielungen machen den Reiz der Marke aus: Wer sie trägt, gibt sich diskret als Insider zu erkennen. Und läuft bislang kaum Gefahr, von irgendeinem Polizisten oder Antifa-Aktivisten belästigt zu werden. (...) Die rechte Szene bietet alles, was für Jugendliche attraktiv ist. Jeder kann klein einsteigen – zum Beispiel – mit einer CD rechter Musik. Wer ein größeres Abenteuer sucht, fährt zu einem verbotenen Konzert. Rechtsextreme Kameradschaften organisieren Fußballturniere und Fantasieschlachten in Germanenkostümen. Beim nächsten Mal sitzt man vielleicht schon auf einem Schulungsabend. In Sachsen steigt laut Verfassungsschutzbericht die Zahl der Kameradschaften nicht mehr – allerdings aus einem unerfreulichen Grund: Sie sind »mittlerweile in allen Regionen des Freistaates präsent«. Udo Voigt, der Bundesvorsitzende der NPD, bekennt in der Woche vor der Wahl freimütig bei einer Tasse Kaffee: »Ich kenne in Sachsen keine Kameradschaft, die nicht mit uns zusammenarbeitet.«

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