Donnerstag, September 30, 2004

Die Zeit - Die braunen Gaukler

Das Zusammenspiel zwischen Rechten und gesellschaftlichen Verlierern funktioniert erschreckend reibungslos. In Köthen, Sachsen-Anhalt, lässt sich das beobachten Ein kleiner Mann steht auf dem Marktplatz von Köthen, Sachsen-Anhalt, und freut sich über seinen Erfolg: dass die Leute vorbeischlendern und nichts passiert. Obwohl jeder weiß, wer er ist. Er breitet die Arme zu einer Geste aus, die irgendwie zu feierlich wirkt für einen, der die Haare als Zopf trägt, unter dessen Jackenärmeln Tattoos hervorschauen. Wenn Wind und Regen jetzt nicht wären und er die Jacke auszöge, könnte man an der Aufschrift seines T-Shirts sehen, dass er durchaus einen Hang zum Pathos hat. Dort steht: »Wenn die Deutschen zusammenhalten, so schlagen sie den Teufel aus der Hölle«. Bismarck. Mirko Theodor ist 33 Jahre alt, Kreisvorsitzender der Republikaner und noch nicht lange in Köthen. Kurzvita: geboren im Ostharz, in Bremen in die Partei eingetreten. Er hat in Köthen die Anti-Hartz-Demonstrationen ins Leben gerufen, oder besser: Er hat seinem arbeitslosen und in Demonstrationsdingen unerfahrenen Nachbarn Gunnar Pollin dabei unter die Arme gegriffen. Von hinten klopft ihm jetzt ein Mann auf die Schulter und sagt: »Der Theo, für mich ist der einfach ein Freund.« Köthen ist keine rechte Hochburg, die Republikaner haben bei der Kommunalwahl im Juni vier Prozent der Stimmen bekommen. Köthen ist der Normalfall. Eine Kleinstadt im Osten, hübsch renoviert, hoffnungslos. Der Ort war mal wohlhabend. Bach war hier Hofkapellmeister, die Stadt hat ein Schloss mit Spiegelsaal, aber die ganze schöne Kulisse hilft nichts. 30.000 Einwohner, 23 Prozent Arbeitslose. Selbst wenn sich hier morgen eine High-Tech-Firma niederließe – für sie, die schlecht Qualifizierten, wären die neuen Jobs nichts. An einem Ort wie Köthen lässt sich das Zusammenspiel der einfachen Sympathisanten, der Verbündeten wider Willen und der neonazistischen Ideologen im deutschen Osten exemplarisch zeigen. Ausgangspunkt ist der Marktplatz an einem Montagabend im Herbst; alle sind versammelt. Der Sympathisant. Er heißt Oliver Trenka, 26 Jahre alt, die Freundin und der zweijährige Sohn sitzen zu Hause, ein weiteres Kind soll im März auf die Welt kommen. Nach der Lehre als Gas- und Wasserinstallateur bekam Trenka erst Arbeitslosen-, dann Sozialhilfe, zwischendurch hatte er immer mal wieder kleine Jobs. Seit Anfang September arbeitet er für einen Euro die Stunde bei der Sozialen Sachen- und Möbelbörse, fährt Sofas und Schränke, die andere abgegeben haben, an Bedürftige aus: »Dabei bin ich ja selbst bedürftig.« Trenka trägt einen korrekt rasierten Kinn- und Oberlippenbart, eine Cordhose, Basecap und Sweatshirtjacke, alles wollweiß, fleckenlos. Kleidung ist ihm wichtig. »Die meisten sagen: Du siehst gar nicht aus wie ein Sozialhilfeempfänger.« Er bestellt bei Sport Scheck, jeden Monat zahlt er eine 13-Euro-Rate.

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