Donnerstag, Juni 23, 2005

Aus der Mitte der Gesellschaft - Berliner Literaturkritik

36 Prozent der Deutschen stimmen der Behauptung zu, die Juden hätten zu viel Einfluss auf der Welt. 18 Prozent glauben, viele Juden versuchten, aus der Vergangenheit Vorteile auf Kosten der Deutschen zu ziehen, 14 Prozent sind der Überzeugung, die Juden seien mitschuldig, wenn sie gehasst und verfolgt würden. Zahlen wie diese geistern immer mal wieder durch die Presse und reißen diejenigen aus ihrem Schlaf, die glauben, antisemitische Vorurteile hätten die Deutschen seit langem überwunden. Nur ein Prozent der Befragten wiederum glaubt, dass die Deutschen Vorbehalte gegenüber ihren jüdischen Landsleuten hätten. Jede Befragung wirft die Frage auf, ob die Deutschen ein Volk von unbelehrbaren Antisemiten seien. Und die allergrößte Mehrheit derjenigen, die diese Statistiken lesen, weisen den Vorwurf des Antisemitismus weit von sich – mehr oder weniger lautstark. Oftmals wird diese Beteuerung mit dem Hinweis begründet, es sei anscheinend gar nicht klar, wo Antisemitismus anfange. Bei den eigenen Vorbehalten jedenfalls auf keinen Fall: „Bei mir ist alles im grünen Bereich.“ Die eigene Meinung beruhe schließlich nicht auf Vorurteilen, sondern auf allgemein bekannten Tatsachen über „die Juden“, „die jüdische Geschichte“ oder „die jüdische Politik in Palästina“. Man berufe sich nur auf das, was alle sagen – oder besser: sagen würden, wenn es da nicht dieses Tabu gäbe, etwas gegen Juden zu sagen.

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