Mittwoch, Juni 22, 2005

taz 18.6.05 Wenn dem Gericht die Worte fehlen

Im Prozess um eine beispiellose Gewaltorgie in Frankfurt (Oder) ersparen sich die Richter bei der Urteilsverkündung die Schilderung der grauenhaften Details - und verurteilen die Täter zu Haftstrafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren Der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz bemühte sich zum Abschluss des Prozesses um einen sachlichen Ton. "Was Sie hier geboten haben", sagte er und blickte zu den fünf jungen Angeklagten, "das sprengt alles, was wir in vielen Berufsjahren erlebt haben." Die Details des "grauenhaften Verbrechens" wolle er lieber gar nicht mehr schildern. "Das erspare ich mir." Die bulligen, zum Teil kahl geschorenen Männer nahmen es mit gelangweilten Blicken hin. Das Landgericht Frankfurt (Oder) verkündete gestern das Urteil über drei Männer im Alter von 21 bis 29 Jahren aus der örtlichen Neonazi-Szene. Sie hatten vor einem Jahr nach einer Partynacht einen 23-Jährigen mehr als zwei Stunden lang in einer Wohnung fast zu Tode vergewaltigt und gefoltert. Die zwei mitangeklagten 20- und 25-jährigen Freundinnen der Täter hatten den Gewalttaten vom Sofa aus zugeschaut. Sie waren nicht eingeschritten, sondern hatten gelacht und ihre Kumpels nach Überzeugung der Richter sogar angefeuert. Das Gericht verurteilte gestern die zum Teil einschlägig vorbestraften Männer zu Strafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren Haft wegen besonders schwerer Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Nötigung. Die Freundinnen der Täter wurden wegen Beihilfe zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Damit blieben die Strafen geringfügig unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. siehe auch: Hohe Haftstrafen im Folterprozess

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