Montag, Oktober 24, 2005

NS-Psychiatrie und was der Minister erzählt

Josef Hecken nennt zwar ein paar Zahlen, aber keine Namen und nichts über die Auswirkungen im Saarland ”Viel zu lange und viel zu oft ist dieses düstere Kapitel saarländischer Geschichte verdrängt worden. Um so beachtlicher ist es, wenn wir uns mit der schrecklichen Vergangenheit auseinander setzen und auch 60 Jahre nach Kriegsende diese immer noch heiße Eisen anpacken”, so Gesundheitsminister Josef Hecken anlässlich des Symposiums ”Psychiatrie im Nationalsozialismus - Auswirkungen im Saarland”. Gesundheitsminister Hecken würdigte die vorbildlichen Bemühungen der Homburger Psychiatrieanstalt. ”Mit der Errichtung im Jahr 1906 schuf man für damalige Verhältnisse eine sehr moderne Heil- und Pflegeanstalt mit dezentralem Pavillonstil”. Es habe für den Reformgeist der Betreiber entsprochen, sich für diese offene Bauweise zu entscheiden, die bewusst einen abstoßenden, gefängnisartigen Eindruck alter Irrenanstalten entgegentrat. ”Die Einrichtung der Homburger Anstalt im finanziell und personell aufwendigen Pavillonstil belegt, dass die Psychiatrie um die Jahrhundertwende im Saarland nicht nur von staatlichem Ordnungsdenken beherrscht wurde, sondern es auch Bestrebungen gab, den Patienten eine freundliche, den Heilungsprozess fördernde Umgebung zu bieten”, so Hecken. ”Die Psychiatrie in Homburg war ab 1906 zunächst eine vorbildliche und moderne Einrichtung; dann kamen die Nationalsozialisten und schreckliche Dinge geschahen in Homburg und Merzig sowie an den Orten, in die Patienten verlegt wurden”. Auch im Saarland seien Zwangssterilisationen und Euthanasie in den Jahren 1933 bis 1945 nicht vorbei gegangen. Insbesondere die Psychiatrielandschaft der damaligen Zeit habe die Auswirkungen der NS-Schreckensgeschichte erlebt. ”Die Opfer waren zumeist geistig und körperlich behinderte Menschen, die in Anstalten lebten und im Sinne der nationalsozialistischen Rassenlehre als ‚minderwertig’ oder ‚erbkrank’ galten”, so Hecken. Die psychisch kranken Menschen im Saarland waren von der Vernichtung überdurchschnittlich stark betroffen. Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten in den saarländischen Anstalten Merzig und Homburg zwischen 1.150 und 1.600 Patienten. Bei Kriegsbeginn wurden die Anstalten geräumt und in andere Regionen deportiert. Nur zwischen 80 und 260 dieser Patienten habe das Dritte Reich überlebt, so der Minister. Darüber hinaus wurden zwischen 1935 und 1945 im Saarland rund 3.000 Sterilisationsverfahren eingeleitet, wovon in 80 Prozent aller Fälle das Gericht auf eine Durchführung des Eingriffs entschieden hatte.

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