Mittwoch, November 10, 2004

Jungle World 47/2004 - Erfolgreich abgewickelt

Die Kampagne gegen Neonaziläden zeitigt erste Erfolge. Ein Laden in Chemnitz schließt im kommenden Jahr. Das nächste Ziel ist Pirna Die Rechten tauschen an unserer Schule gerade wie die Verrückten Musikdateien aus«, berichtet ein Gymnasiast aus Hainichen bei Chemnitz. An sächsischen Schulen läuft die rechtsextreme »Aktion Schulhof« an, aber nicht, wie vor Monaten angekündigt, als eine groß angelegte Verteilung von kostenlosen CDs vor Schulen, sondern über eine Website im Internet. Dort finden sich Links auf herunterladbare Lieder. In der Liste der Unterstützer der Aktion finden sich der Vertrieb Backstreetnoise und auch das Label PC-Records aus Chemnitz. Ende September hatten in Chemnitz 400 Antifas zur Eröffnung der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« gegen das gemeinsame Ladengeschäft von Backstreetnoise und PC-Records demonstriert und vom Vermieter, dem Bundesvermögensamt, die fristlose Kündigung der Mietverträge gefordert. Vor dem Laden wurde die Demonstration von Personen aus einer Ansammlung von 200 Rechten angegriffen. Unter den aus ganz Sachsen angereisten Rechten waren Tino Karsch, ein ehemaliges Mitglied der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), und Martin Kohlmann, Landesvorsitzender der Republikaner und Chemnitzer Stadtverordneter. Der Auflauf der Neonazis gegen die Demonstration stellte auch nach Einschätzung der Polizei eine neue Qualität dar. Die Neonazis stellten sich der Demonstration in den Weg, prügelten in sie hinein, warfen Steine, Flaschen und Zaunlatten. Ein Rechtsextremer griff die Spitze der Demonstration an, riss das Fronttransparent herunter und trat einer Frau in den Bauch. Auch vor den Polizeikameras zeigten Neonazis den Hitlergruß, skandierten »Juden raus!« und »Hier marschiert der nationale Widerstand!« (...) Mittlerweile sind die Mietverträge der Läden gekündigt worden, sagt der Leiter der Chemnitzer Abteilung des Bundesvermögensamtes, Herbert Hartmann, der Jungle World. Der Vertrag mit PC-Records endet am 31. Januar 2005, der Vertrag mit Backstreetnoise am 30. April. »Die ungestörte Fortsetzung des Mietverhältnisses war nicht mehr gewährleistet. Es wäre dort immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Der Bund lässt sich in solche Auseinandersetzungen nicht hineinziehen«, betont Hartmann. Eine Erklärungsnot, wie es überhaupt zu einem vierjährigen Mietverhältnis zwischen dem Bundesvermögensamt und dem Neonaziladen kommen konnte, sieht Hartmann nicht: »Es ist nicht Aufgabe des Bundesvermögensamtes, bei Mietern eine Gesinnungsprüfung durchzuführen, aber wenn wir etwas erfahren, reagieren wir.« Die Schließung der Läden wird von der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« als ein erster Erfolg verbucht. Aber Backstreetnoise wird weiter aktiv bleiben. Am 31. Oktober etwa fand in einer Chemnitzer Discothek ein Konzert von rechten Bands mit 500 Besuchern statt, das auf der Website des Vertriebes angekündigt worden war. Erstmals ist damit offen für ein rechtes Konzert in Chemnitz geworben worden. Für die Betreiber ist die Schließung ihrer Läden dennoch ein Rückschlag. Das Backstreetnoise war mit seinem Angebot, das von klassischer Skinheadmode bis zu CDs mit rechtsextremer Musik reichte, ein wichtiger Ort für die Jugendkultur und die organisierte Neonaziszene. Diese Funktion wird sich nur mit einem neuen Ladenlokal aufrechterhalten lassen.

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