Donnerstag, Januar 13, 2005
Jungle World 2/2005 - Volksgemeinschaft im Wartestand
In der NPD versammelt sich das Spektrum rechts der CDU/CSU zu einer braunen »Volksfront«. Nach den Kameradschaften bekennt sich jetzt auch Franz Schönhuber zur Partei.
Vor zwei Jahren schien sich das Problem erledigt zu haben. Die NPD war eine kleine Organisation mit sinkenden Mitgliederzahlen, die außer Alt- und Stiefelnazis kaum jemanden anzusprechen vermochte und der per Verbotsverfahren der Todesstoß drohte. Selbst in der Naziszene schien die NPD isoliert. Für andere rechte Parteien war ihr Bekenntnis zum unrevidierten »Deutschen Sozialismus« zu radikal, aus der Kameradschaftsszene wurde ihr dagegen »Legalismus« vorgehalten. Der Versuch der Bundesregierung, die NPD mit Hilfe eines Parteiverbotsverfahrens zu zerschlagen, geriet allerdings zum Desaster und bescherte den Nationaldemokraten letztlich das, worum sie zuvor vergeblich gekämpft hatten: gesellschaftliche Relevanz. Weil weite Teile des NPD-Apparats von Agenten des Verfassungsschutzes durchsetzt waren, sah sich das Bundesverfassungsgericht nicht in der Lage, die Partei zu verbieten und bescherte ihr mit der Ablehnung des Verbotsverfahrens einen wahren Aufschwung.
Spätestens der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag hat ein Tabu gebrochen: Es ist in der Bundesrepublik möglich, ganz offen und auf höchster staatlicher Ebene Politik mit antisemitischen und rassistischen Inhalten zu betreiben, ohne dass dies – von einer kurzlebigen Medienkampagne abgesehen – einen Skandal darstellte. Die Tatsache, dass Kandidaten der NPD im sächsischen Landtag regelmäßig mehr Stimmen erhalten, als die Fraktion Mitglieder hat, zeigt die bedrohlichen Ausmaße, die diese »Normalisierung« mittlerweile angenommen hat.
Und die NPD weiß ihre unverhoffte Wiedergeburt zu nutzen: Dem Bundesvorstand um den Vorsitzenden Udo Voigt und den ehemaligen Chef der Jungen Nationaldemokraten (JN) und jetzigen Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag, Holger Apfel, ist es in den letzten Monaten gelungen, seine Partei zum Dreh- und Angelpunkt einer rechtsradikalen Sammlungsbewegung zu machen.
Den Beginn machten seit Anfang vergangenen Jahres Verhandlungen mit Funktionären aus dem Spektrum der so genannten Freien Kameradschaften. Der Hamburger Thomas Wulff, Ralph Tegethoff aus Nordrhein-Westfalen und Thorsten Heise aus Thüringen führten die Gespräche mit dem Parteivorstand und einigten sich schließlich auf einen Beitritt zur NPD im September 2004. Weil sie diesen Schritt mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit begleiteten, hatte ihre Entscheidung Signalwirkung. Die alten Vorbehalte der Kameradschaftler gegenüber der NPD, sie biedere sich dem verhassten parlamentarischen System an und lasse es an nationalrevolutionärer Energie mangeln, scheinen erledigt, einer Zusammenarbeit steht nichts mehr im Wege. Wulff, Tegethoff und Heise teilten ihren Kameraden mit, die NPD sei eindeutig zum »nationalen Widerstand« zu zählen, es gehe jetzt darum, »eine Bewegung zu werden«. Institutionalisiert wurde dieses Bündnis auf dem NPD-Bundesparteitag im vergangenen Herbst. Thorsten Heise wurde in den Parteivorstand gewählt und trägt jetzt den Titel eines »Referatsleiters Freie Kameradschaften«.
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