Mittwoch, April 14, 2004

Jungle World 17/2004: Provinz marschiert Das hessische Kirtorf ist ein Zentrum organisierter Neonazis. Antifaschistische Gruppen aus Hessen planen nun eine Kampagne gegen die rechten Strukturen vor Ort. Antifas und der hessische Verfassungsschutz sind sich an einem Punkt einig: Kirtorf hat sich zu einem Zentrum der Naziszene entwickelt. Seit Jahren konnten Neonazis ungestört ihre Strukturen in dem 1 500 Einwohner zählenden Ort in Osthessen aufbauen. Erst seit Antifagruppen aus dem ganzen Bundesland für den 17. April zu einer Demonstration in Kirtorf aufrufen, reagiert die Lokalpolitik. Und zwar hektisch. Einstimmig verabschiedeten der Magistrat und der Ältestenrat der Stadtverordnetenversammlung nur wenige Tage nach Eingang der Anmeldung eine Erklärung. Zu lange habe man sich nicht mit dem Problem auseinandergesetzt, nun aber wolle man endlich alle »rechtlichen und politischen Mittel« ausschöpfen, um gegen den Nazitreffpunkt mitten im Ort vorzugehen. Seinen Namen will jedoch keiner der Politiker in einer Zeitung sehen, sagte ein CDU-Mitglied der Jungle World. Es habe schon Drohungen von den Rechten gegeben. In Kirtorf wie im gesamten Vogelsbergkreis östlich von Marburg treten seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder organisierte Neonazis auf. Wehrsportübungen, Schlägereien, Sonnenwendfeiern, Konzerte und Fackelzüge finden sich auf einer langen Liste, die von antifaschistischen Gruppen zusammengestellt wurde, um das Geschehen der letzten zwölf Jahre zu dokumentieren. Sie belegt, dass sich in der Gegend eine überregional bedeutende Szene etabliert hat, die regelmäßig Konzerte und Partys organisiert. Die Kirtorfer Rechtsextremisten haben sich weit über die Grenzen Hessens hinaus einen Namen gemacht. So kamen im März 2002 etwa 600 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen, um an einer Feier der berüchtigten Dortmunder Nazihooligan-Truppe »Borussenfront« teilzunehmen. Als Hauptattraktion trat die Rechtsrock-Band »Kategorie C« auf. Erst vor wenigen Wochen kamen wieder einmal 200 Konzertbesucher in den Ort, um Nazimusik zu hören.

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