Mittwoch, März 23, 2005

Frankfurter Rundschau online - Stramme Burschen

Rechtsextremisten und Studenten-Verbindungen pflegen - mehr oder weniger offen - fruchtbare Beziehungen Die Kasseler Burschenschaft Germania ist eine "fröhliche Gemeinschaft". Immer mal wieder laden die 14 Studenten der Verbindung zu Grill- oder Kaminabenden in ihr "Germanenhaus" im Stadtteil Wolfsanger, das schon allein deswegen gut zu finden ist, weil oben auf dem First unübersehbar eine schwarz-rot-goldene Flagge prangt. Das Haus, so wirbt der als gemeinnützig anerkannte Männerbund auf seiner "Heimatseite", stehe Interessierten jederzeit offen: "Gäste sind stets willkommen." So auch am 19. November 2004. Damals begrüßte die heitere Männerrunde einen gewissen Jürgen Rieger in ihrer Mitte, um etwas über "germanischen Glauben in unserer Zeit" zu erfahren. Rieger ist auf dem Gebiet durchaus kompetent: Der Neonazi-Anwalt plant in Niedersachsen zurzeit eine Art Paarungsinstitut für Arier. Mit Nicht-Deutschen dagegen hat Rieger so seine Probleme. Deswegen soll er auch vor den Kasseler Burschenschaftlern empfohlen haben, Türken derart zu verprügeln, "dass ihnen alle Zähne fehlen". Berichte über den NS-Massenmord an Sinti und Roma habe der rechte Jurist kurzerhand als "Schwachsinn" abgekanzelt. Weil von den Tiraden ein Filmteam des ZDF Wind bekam, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Auch beim hessischen Verfassungsschutz hat man den Auftritt Riegers "mit Interesse zur Kenntnis genommen". Denn von einem Einzelfall kann längst keine Rede mehr sein. Von einer "neuen Qualität" der Zusammenarbeit zwischen Rechtsextremisten und Burschenschaften sprach kürzlich, ungewohnt offen, der hessische Verfassungsschutz-Präsident Lutz Irrgang. Mancher der angestaubten Studenten-Clubs - in denen Säbelrasseln, Koma-Saufen und das Absingen von Liedzeilen wie "Deutschland, Deutschland über alles" zu den gängigen Ritualen zählen - sei auf dem Weg, zur "Denkfabrik" für die organisierten Neo-Faschisten zu werden. Vor allem eine Burschenschaft hatte der oberste Schlapphut dabei im Sinn: die ultrarechte Gießener Verbindung Dresdensia-Rugia. Aus deren Reihen stammen -Zufall oder nicht - gleich drei Männer, die derzeit bei der NPD im sächsischen Landtag Karriere machen: Stefan Rochow, seit 2002 Bundesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) und in Dresden NPD-Fraktionsassistent; der Diplom-Volkswirt Arne Schimmer als wissenschaftlicher Mitarbeiter; sowie der Abgeordnete Jürgen W. Gansel, der jüngst mit seiner Rede über den "Bomben-Holocaust" von Dresden bundesweit für Empörung sorgte.

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