Donnerstag, März 31, 2005

Jungle World ··· 13/2005 Antifa ··· Rechte, links des Rheins

Viele vermuten deutsche Neonazis hinter der Anschlagsserie im Elsass. Genügend Verdächtige finden sich jedoch auch in der Region selbst. (...) Seit einem Jahr erschüttert eine Reihe von Anschlägen auf jüdische und muslimische Gedenkstätten, religiöse Einrichtungen und Geschäfte das Elsass. Zuletzt wurde Anfang Januar das Haus eines muslimischen Geistlichen in Strasbourg mit rassistischen Parolen beschmiert, vor der Haustür wurde Feuer gelegt. Trotz der langen Reihe von Taten und einer vom Regionalparlament ausgesetzten Belohnung von 15 000 Euro sind die Ermittlungen bislang weitgehend ergebnislos geblieben. Im Dezember wurde einer der mutmaßlichen Urheber der Schändung des jüdischen Friedhofs in Herrlisheim bei Colmar festgenommen, die am 30. April 2004 mit insgesamt 123 verunstalteten Grabsteinen den spektakulären Auftakt der Anschlagsserie darstellte. Der aus Mulhouse stammende Verdächtige war Mitglied des berüchtigten Departement Protection Securité, des Sicherheitsdienstes des Front National (FN). Bereits im Juli vorigen Jahres wurde ein 22jähriger festgenommen, der ein Mahnmal für jüdische Soldaten des Ersten Weltkriegs in Douaumont bei Verdun beschmiert hatte. Er wohnte in einem von Rechtsextremen besetzten Haus in Bar-le-Duc und war nach Angaben des Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus Sympathisant des Front National de la Jeunesse (FNJ), der Jugendorganisation des Front National. Die Spuren weisen auf den Rechtsextremismus im Elsass und das Umfeld der beiden etablierten Parteien Front National und Alsace d’Abord (Das Elsass zuerst) hin, ein Umstand, den man in der Region jedoch erst allmählich wahrnimmt. (...) Beispiele für die Umtriebigkeit der rechtsextremen Szene im Elsass gibt es viele: Patrick Binder, der Vorsitzende des FN im elsässischen Regionalparlament, lädt zu internen Treffen auch mal ehemalige Mitglieder der Waffen-SS ein. Pierre Vial, Geschichtsprofessor aus Lyon und Mitglied des FN-Zentralkomitees, der als Leugner des Holocaust bekannt ist, gründete die Organisation »Terre et peuple« (»Boden und Volk«), eine Gruppe, die für Mitglieder aus den Jugendorganisationen des FN ideologische Schulungen und Wehrübungen in den Vogesen durchführt, um sie auf einen »ethnischen Krieg« vorzubereiten. Der Vorsitzende von Alsace d’Abord, der rechtsextremen »zweiten Front« im Elsass, ist Robert Spieler. Er gibt sich gerne als respektabler Unternehmer und stellt seine Organisation als Partei ordentlicher Bürger dar. Gleichzeitig aber ist bekannt, dass sein Sicherheitsdienst Neonazis rekrutiert und die Partei beste Kontakte zu rechtsradikalen Parteien wie dem belgischen Vlaams-Block und der italienischen Lega Nord unterhält. In Mulhouse beteiligte sich Alsace d’Abord an einer Kampagne gegen die Rap-Gruppe »Sniper«, die von der rechtsextremen Jeunesse Identitaire initiiert wurde. Die Jugendorganisation des Bloc Identitaire organisiert lokale Bündnisse, um Auftritte der Band zu verhindern. Deren Texte werden als »antifranzösisch« und als Aufruf zur Gewalt gegen Polizisten denunziert. Außerdem wird auf die Konzertveranstalter Druck ausgeübt. In Mulhouse hatte die Allianz aus besorgten Bürgern, Polizisten und rechtsextremen Aktivisten Erfolg: Der Auftritt wurde abgesagt.

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