Dienstag, März 08, 2005

ND- Anachronismus-Zug kontra Nazi-Marsch

Brecht-Verein am 8. Mai mit Aktion am Reichstag/Versammlungsbehörde sieht Konflikte Die Liste eifriger juristischer Verrenkungsspielchen der polizeilichen Versammlungsbehörde in Berlin ist nicht kurz. Die antimilitaristische und die linksautonome Szene vermögen darüber ganze Aktenordner vorzulegen. Nun lieferte die Behörde ein weiteres Beispiel eigenwilliger Interpretation des Versammlungsrechtes. Denn es soll am 8. Mai – nachgemeldet vielleicht auch noch am 7. Mai – eine Aktion namens »Das Begräbnis oder die himmlischen Vier« auf dem Gelände des Reichstages geben. Veranstalter ist der »Verein für unliterarische Verwendung der Literatur und außergewöhnliche Brechtvorhaben«, der vor 25 Jahren durch seine anachronistischen Züge durch die Bundesrepublik bekannt wurde. In einem Schreiben vom 4. Oktober 2004 machte der Verein das Polizeipräsidium darauf aufmerksam, dass es sich um »eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel mit Kunstcharakter« handelt, woraus zu schließen wäre, dass die Anmeldung damit auch nach dem Versammlungsrecht zu behandeln sei. Das Projekt definiert sich als szenische Umsetzung und Fortführung von Brechts »Legende vom toten Soldaten« auf dem Schlachtfeld von Verdun, dem Soldatenfriedhof in Bitburg, dem Rhein und der einstigen Hauptstadt Bonn. In der Szene wird laut Verein ein gefallener deutscher Soldat wieder ausgegraben und für kriegsverwendungsfähig befunden – und das wiederholt –, bis er in Bonn wieder in sein Grab steigt. »Dort bleibt er aber nur ein Jahr und gelangt im Zuge der deutschen Einigung nach Berlin, wo er seitdem umherirrt.« Am Tag der Befreiung 2005 wird nun der »tote Soldat« auf der Treppe des Reichstages liegen. Er soll hingetragen und aufgebahrt werden. Und Brechts Gedicht soll von seiner Tochter Hanne Hiob vorgetragen werden... Die Aktion sei nicht nur Kunst, sondern rufe zur kollektiven Meinungsäußerung gegen eine heutige Politik auf, bei der besagter Soldat wieder marschiert. Am 15. November wurde der Versammlungsbehörde die genaue Route mitgeteilt, auf dem sich dieser anachronistische Zug hernach nach Potsdam bewegen möchte. Mit dem Datum vom 2. Dezember bestätigte die Polizei den Eingang beider Schreiben, teilt aber »diesbezüglich mit«, dass »erhebliche Zweifel hinsichtlich einer versammlungsrechtlichen Abdeckbarkeit der beschriebenen Veranstaltung bestehen«. Der Grund: eine Überschneidung mit dem von den Neonazis angemeldeten Aufmarsch am Brandenburger Tor vom 4. November. Da die Streckenplanung des Vereins erst am 15. November bekannt wurde, sei der Nazi-Aufzug »nach dem Prinzip der ersten Anmeldung insofern als vorrangig zu betrachten«. Entschieden sei aber noch nichts.

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