Mittwoch, März 23, 2005

taz 19.3.05 Braune Töne lassen T-Com-Kasse klingeln

Die Konsumwelt für den Neonazi-Nachwuchs wächst. Seit einigen Wochen bietet ein Internetshop extreme Handy-Klingeltöne an. Das Geschäft ist brisant: Denn wenn der Neonazi shoppt, klingelt es automatisch auch bei T-Com - in der Firmenkasse Wenn beim Nachwuchsglatzkopf in der U-Bahn das Handy klingelt, sollte man ab sofort genauer hinhören: Mit einiger Wahrscheinlichkeit dudelt aus dem Gerät ein Klassiker besonderen Kalibers. Zum Beispiel "Deutsch geboren" von der Neonazi-Gruppe "Kraftschlag". Auch der Blick aufs Handy-Display lohnt. Gut möglich, dass dort Rudolf Heß grüßt, dessen Grab in Wunsiedel aufleuchtet, oder ein Panorama-Schnappschuss des "Berghofs" von anderen Zeiten kündet. Wo andere Internetfirmen längst Millionen machen, will die braune Lifestyle-Branche nicht zurückstehen. Seit einigen Wochen hat der Hildener Internetshop "RockNord" sein Sortiment erweitert. Es umfasst neben CDs, T-Shirts oder Parfüm ("Walküre - der herbe Duft vom großen Reich") nun auch Handy-Klingeltöne und -Logos. Kein Zufall, dass Downloads je 88 Cent kosten. Die Acht steht als Neonazicode für H, den achten Buchstaben im Alphabet; 88 heißt nichts anderes als "Heil Hitler". Fachleute vermuten, dass es durchaus einen Markt für das Hass-Geklingel gibt, selbst wenn das Handy den Besitzer permanent politisch outet. Die Käufer solcher Angebote seien ohnehin optisch als rechtsextrem zu erkennen, sagt der Berliner Politologe Henning Flad. Außerdem zielten die Offerten auf "den dümmsten Teil der Szene", der "sich jeden Mist verkaufen lässt". Bemerkenswert ist das jüngste braune Shopping-Angebot auch aus einem weiteren Grund: Wenn Neonazis bei "RockNord" ihr Handy aufrüsteten, gab es bislang einen prominenten Mitverdiener - die Telekom-Tochter T-Com. Vor den "lieben Freunden der patriotischen Musik" brüstete sich "RockNord" mit dem innovativen Deal: "Ab sofort", hieß es auf der Website, "wird Einkaufen im patriotischen Musikbereich neu definiert." Dank des Telekom-Bezahlsystems T-Pay müsse niemand mehr Porto zahlen oder Lieferzeiten abwarten. siehe auch: Telekom überhört Hass-Geklingel von Nazis. Handel mit Handy-Klingeltönen und -Logos für die rechtsextreme Klientel hat die Telekom allzu lange ignoriert

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