Mittwoch, Februar 16, 2005

ND - Unterschätzte Bedrohung

Nora Goldenbogen über den Dresdner Nazi-Aufmarsch am Sonntag Nora Goldenbogen, 55, ist seit 2003 Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Dresden. Die promovierte Historikerin und langjährige Lehrerin für Deutsch und Geschichte leitet außerdem den jüdischen Verein Hatikva. Über einen gefährlich nahe gekommenen Nazi-Aufmarsch am Sonntag und die Unterschätzung der Bedrohung durch rechtsradikale Demonstrationen sprach Carsten Hübner mit ihr. ND: Frau Goldenbogen, am Sonntag hat es vor der Synagoge eine sehr brenzlige Situation gegeben. Goldenbogen: Es ist inzwischen ein Ritual, dass Gruppen von Rechtsextremen nach Demonstrationen versuchen, zum Gemeindezentrum vorzudringen, um zu provozieren. Und am Sonntag haben sie sich natürlich besonders bemüßigt gefühlt, weil vor unserem Gelände die Kundgebung eines »Bündnisses gegen Geschichtsrevisionismus« stattfand. Es kam zu einer sehr gefährlichen Situation, wo wir Angst hatten, dass sie eskaliert. Zu dem Zeitpunkt war keinerlei Polizeischutz da – außer unserem sehr gut agierenden Objektschutz. Das waren zwei Leute. Obwohl seit Wochen über den Naziaufmarsch diskutiert wurde, war am Tag selbst keine Polizei vor der Synagoge? Nein. Überhaupt nicht. Erst nachdem wir das Lagezentrum informiert haben, weil wir die Befürchtung hatten, die Lage eskaliert, kam Polizei. Das hat dann, ich kann es nicht genau sagen, noch mal etwa 10 Minuten gedauert. Da waren die Rechtsextremen noch etwa einhundert Meter entfernt. Aber es drohte zu eskalieren, weil so viele Leute auf dem Platz waren. Das war für uns eine neue Situation. In den letzten Jahren war es häufig so, dass wir alleine waren.

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