Montag, Februar 14, 2005

russland.RU - Der russische Skinhead vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages des Sieges über Hitler

Die Skinheads sind heute ein nicht zu übersehender Bestandteil der jugendlichen Subkultur in Russland. Wie Soziologen errechnet haben, gedeihen auf Russlands Weiten heute etwa 55 000 kahlgeschorene Jünglinge, die sich als Mitglieder dieser Abart der nazistischen Bewegung betrachten. Heute liefern die Skinheads in den russischen Städten Material für kriminelle Berichte, das allmählich sozusagen internationalen Charakter annimmt. In Moskau, in der zentralen Fußgängerzone Arbat, verprügelten Skinheads eine schwangere Inderin, wonach sie eine Fehlgeburt hatte. Im Moskauer Bezirk Fili überfiel die Gang "Russisches Ziel" William Jefferson, einen dunkelhäutigen Wachmann der US-Botschaft. Der junge Marineinfanterist kam erst in einem Krankenhaus zu sich. Das gleiche Los ereilte eine bedeutendere Figur, den Generalsekretär der Sozialistischen Partei Großbritanniens, Peter Taaffe. Die einheimischen Soziologen zweifeln wenig daran, dass es sich nicht um banale Jugendkriminalität, sondern um nichts Anderes als um Faschismus handelt. Mit der ideologischen Gehirnwäsche der jungen Leute befasst sich in Russland eine spezialisierte Skinhead-Presse: Zeitschriften vom Schlage "Pod nol" (Kahlgeschoren), "Beloje soprotiwlenije" (Weißer Widerstand), "Ja - belyj" (Ich bin ein Weißer), "Stop" sowie "Streetfighter", ein bekanntes internationales rassistisches Blatt, das sorgfältig ins Russische übersetzt ist. Darin wird die Propaganda der Xenophobie mit eleganter Leichtigkeit, unter der Maske des Patriotismus betrieben, damit die Rechtsschutzorgane keinen Vorwand bekommen, die Ausgabe zu schließen. Am wuchernden Neonazismus der Jugendlichen parasitieren nicht wenig rechtsradikale politische Parteien Russlands. "Russkij nazionalnyj sojus" (Russischer nationaler Bund), "Nazionalno-derschawnaja partija" (Nationale Großmachtpartei), "Partija swobody" (Freiheitspartei) und sonstige nationalistische Organisationen sehen in den Cliquen der Skinheads ihre Reserve. Diese ihrerseits beharren auf ihrer Selbstständigkeit und schließen sich zu großen Einheiten zusammen. Hier nur zwei Beispiele: "Russki kulak" (Russische Faust) in Petersburg mit beinahe 400 oder "Sewer" (Norden) in Nischni Nowgorod mit über 300 Schlägern. Veteranen ausländischer neofaschistischer Gruppierungen umsorgen und pflegen unermüdlich ihre russischen Glaubensgenossen. So treffen aus den USA regelmäßig Ausbilder des Ku-Klux-Klans und aus Deutschland Theoretiker der dort verbotenen Clans "Wikingerjugend" und "Stahlhelm" ein. Nach Angaben des Moskauer Büros für Menschenrechte ist es den westlichen Mentoren gelungen, einen Kanal zu schaffen: Über die ultrarechten Organisationen von Lettland und Estland schleusen sie nach Russland neonazistische Schriften, Audiokassetten und uniformähnliche Kleidungsstücke ein. Ergebnis dieses mächtigen Ausbruchs von Aktivität der russischen Skinheads ist ein düsteres Paradoxon: Kurz vor der Begehung des 60. Jahrestages des Sieges im Zweiten Weltkrieg ist sich Russland, das bei der Erringung dieses Sieges die erstrangige Rolle spielte, darüber klar geworden, ebenfalls von den Sporen des Faschismus angesteckt zu sein. Neben einen Kriegsveteranen, dessen Brust mit Kampforden geschmückt ist, tritt ein kahlgeschorener Halbwüchsiger in einer Jacke mit den Buchstaben "WP" (White Power) am Ärmelstreifen.

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