Montag, Juli 26, 2004

Tagesspiegel Online : Nazis vor Flusslandschaft

Verschreckte Touristen, entsetzte Bürger: In Königstein hat die NPD 21 Prozent. Eine Ursachenforschung Was ist passiert? Die Bürger haben gewählt. Das Ergebnis ist ungewöhnlich, nun drängen Presseleute in die Stadt. „Ich bin ein gefragter Typ“, sagt Bürger Leichsenring, während er im Kalender nach einem freien Termin für ein Interview sucht. Er ist Mitte 30, ein bulliger Mann, der leicht ins Schwitzen gerät. Viele Bürger haben bei ihm im Auto gesessen. Er betreibt eine Fahrschule. Er ist im Bundesvorstand der NPD. Er ist, das muss man leider sagen, die Hauptperson. Dabei ist eigentlich Frieder Haase in Königstein der Chef. Er war mal in der CDU. Die ist seit eh und je stärkste Partei in der Region, wollte ihn vor drei Jahren aber nicht als Bürgermeisterkandidaten aufstellen. Da ist er ausgetreten und hat allein kandidiert. Er wurde mit 56 Prozent für sieben Jahre gewählt. Seitdem fühlt er sich, als habe er ganz Königstein auf seiner Seite. Nun hat sich herausgestellt, dass das gute Gefühl ein schlechter Traum ist. Denn es gibt noch einen anderen Liebling in der Stadt: Uwe Leichsenring. Für die NPD holte er bei der Kommunalwahl vor ein paar Wochen 21 Prozent. Bürgermeister Haase könnte die Sache auch weniger selbstbezogen betrachten: Ein Fünftel seiner Stadt sympathisiert mit der rechtsradikalen NPD. Es ist seine Aufgabe, mit diesem Fakt umzugehen. Er hat sie schon gelöst. Er hat ausgerechnet, wie viele Bürger 21 Prozent sind, wenn nur 60 Prozent überhaupt gewählt haben. Diese Bürger hat er zu allen Wahlberechtigten ins Verhältnis gesetzt. Er sagt: „Im Grunde haben nur elf Prozent NPD gewählt“, sagt er. Das stimmt. Aber das Leben ist nicht Mathematik.

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