Mittwoch, Juli 28, 2004
Jungle World 32/2004 - Angriff aufs Schülerohr
Bei ihrer »Aktion Schulhof« wollen Neonazis 250 000 CDs mit Rechtsrock kostenlos an Schüler verteilen.
Ian Stuart Donaldson, der Sänger der Nazi-Band »Skrewdriver«, sagte einmal, Musik sei »das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen«. Aus diesem Grund hätte sich der Termin für das »Projekt Schulhof« geradezu angeboten. Vor den Sommerferien wollten Rechtsextreme 250 000 kostenlose Multimedia-CDs mit dem Titel »Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund« an Schulen in ganz Deutschland verteilen. Bands wie »Noie Werte«, »Hauptkampflinie« oder »Spirit of 88« wären dann an dem einen oder anderen Badesee in Deutschland erklungen. Denn die CD enthält 20 Lieder einschlägig bekannter Nazi-Bands sowie Kontaktadressen regionaler rechtsextremer Gruppen und Werbematerial. Eingeleitet wird sie von einem schwülstigen gesprochenen Text gegen Kriminalität, »Multikulti« und »antideutsche Geschichtsschreibung, die an allen Schulen gelehrt« werde.
Die Aktion konnte jedoch bisher nicht beginnen, da sich die Produktion der CD schwieriger erwies als gedacht. Ein Presswerk in Sachsen-Anhalt weigerte sich, den Tonträger herzustellen, und wandte sich an die Behörden. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes konnte auch die Produktion in zwei Presswerken in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verhindert werden. Vermutlich wird die CD jetzt in Osteuropa hergestellt.
Trotz dieser Probleme kann die Aktion bereits jetzt als relativ erfolgreich eingeschätzt werden. Bevor der Sampler überhaupt produziert und verteilt ist, zeigen sich an diesem Projekt deutlich die logistischen, finanziellen und personellen Kapazitäten der Neonazi-Szene. Nach Informationen der Zeitschrift Blick nach Rechts stehen hinter dem Projekt 56 internationale Kameradschaften, Skinheadgruppen, Musiklabels und Versandgeschäfte. Kameradschaften aus Sangershausen, dem Rhein-Main-Gebiet und von der Bergstraße in Südhessen zählen zu den Unterstützern. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens, warnt vor einer »rechtsextremistischen Mobilmachung« an Schulen. »Die Versuche der Szene, Jugendliche zu manipulieren, haben damit eine neue Dimension erreicht.« Ein Schwerpunkt der Aktion wird in Niedersachsen erwartet, da hier Neonazis bereits seit Monaten offensiv Flugblätter vor Schulen verteilen.
Hinter der Aktion könnten nach Informationen von Blick nach rechts und nach Angaben des thüringischen Verfassungsschutzes zwei Drahtzieher des Geschäfts mit Rechtsrock in Deutschland stecken: Lutz Willert aus dem kleinen sachsen-anhaltinischen Dorf Kuhlhausen und Thorsten Heise aus dem thüringischen Frettenrode. Willert ist Versandbetreiber von »Lu-Wi-Tonträger«; mit seinen Umsätzen unterstütze er die Hilfsorganisation für nationale Gefangene (HNG), vertreibe T-Shirts mit der Aufschrift »frei-sozial-national« sowie nationale und internationale Nazi-Musik, heißt es bei turnitdown, einem Internetforum gegen Rechtsrock.
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