Freitag, Juni 24, 2005
Jungle World ··· 25/2005 Antifa ··· Kameradenschweine
Die »Kameradschaft« ist ein Mythos. Wo Gewalt eine große Rolle spielt, richtet sie sich häufig auch gegen Gleichgesinnte
Trotz vieler Feinde und viel Ärger bin ich niemals alleine«, grölt Marko Gottschalk von der Neonaziband Oidoxie. »Denn Kameradschaft ist nicht nur ein Wort. Kameradschaft heißt Zusammenhalt an jedem Ort. Kameraden werden füreinander alles geben. Wir bleiben Kameraden, solange wir leben«, tönt er weiter.
Der Song der Rechtsrocker aus Dortmund unterliegt zwar seit gut zwei Jahren einem Beschlagnahmebeschluss, gehört aber dennoch zu den Hits im rechtsextremen Spektrum. »Wahre Gemeinschaft« und »echter Zusammenhalt« – die Botschaft gefällt. Kaum eine der über 120 Rechtsrockbands in der Bundesrepublik bedient nicht den Mythos der »Kameradschaft, die mehr als Freundschaft ist«. Vor allem die Freien Kameradschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands beschwören in ihren Fanzines und Internetforen den »festen Zusammenhalt«, der nur in ihren »Reihen« erlebt werden könne.
Selten reden die Kader der rechten Szene aber über psychischen Druck und physische Gewalt in der »nationalen Opposition«. Wenig erzählen die Rechtsextremisten von körperlichen Misshandlungen, sexuellen Übergriffen und tödlichen Gewaltakten unter Kameraden. Die Kader wissen, dass das Gefühl, in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu sein, ein Faktor ist, warum Jugendliche und junge Erwachsene sich ihnen anschließen; vorausgesetzt, sie haben rechte Ressentiments bereits verinnerlicht.
»Die erzählen viel von Kameradschaft. Erlebt habe ich sie kaum«, sagt der Aussteiger Patrick B. Mit 14 Jahren schloss er sich, nach »Gemeinschaft« suchend, der rechten Szene zwischen Hannover und Hamburg an. »Na ja, auch wegen der Politik«, räumt er ein. Auch Lisa W., ebenfalls Aussteigerin, die sich mit 19 Jahren der Szene in Greiz und Rosenheim anschloss, weiß, dass schon kleinste private Querelen zu »Gewalt in der Gruppe« führen können. Wo Gewalttätigkeit und Gewaltbereitschaft gegenüber vermeintlich »Minderwertigen« zur Politik und Selbstinszenierung einer Gruppe gehören, bedrohen sie nicht nur die ideologisch »legitimierten Aggressionsobjekte«.
Wertvorstellungen wie Ehre und Männlichkeit, das archaische Geschlechterverständnis sowie hierarchisierte Rollenbilder wie der »Führerkult« führen zur Gewalt. Beide Aussteiger berichten von banalen Alltäglichkeiten, die zu körperlichen »Belehrungen« führten. »Wegen irgendwelchem Kleinkram gab es mal Streit«, sagt Patrick B. »Der eine schlug gleich mit dem Kolben einer Pistole auf einen anderen ein, bis der blutüberströmt dalag.« Ein »dummer Spruch bekam einem Kollegen mal nicht so gut«, erinnert er sich weiter, »der war danach halb totgeschlagen«. Lisa W. erlebte, dass ein »Mädchen«, welches die Anführerin nicht richtig würdigte, gezwungen wurde, sich bei einer Party auszuziehen. »Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung«, stellten die Sozialwissenschaftlerinnen Kerstin Döhring und Renate Feldmann fest.
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