Dienstag, September 27, 2005
TP: Zweifel an der Theorie vom verwirrten Einzeltäter
Heute vor 25 Jahren fand der Bombenanschlag aufs Oktoberfest statt – Noch immer wird gerätselt, wer hinter ihm gestanden hat
Heute vor 25 Jahren ging auf dem Münchner Oktoberfest eine Bombe hoch. 13 Menschen starben noch am Tatort, über 200 wurden verletzt, viele davon sind bis heute schwer geschädigt. Schnell wurde seinerzeit ein Schuldiger gefunden: Der rechtsradikale Waffennarr Gundolf Köhler soll die Bombe im Alleingang gebaut, vor Ort deponiert und gezündet haben. Köhler selbst konnte sich nicht verteidigen. Er war selbst bei dem Anschlag gestorben; das Einzige, was man von ihm finden konnte, war seine Hand. Genauso schnell, wie der vermeintliche Alleintäter ermittelt worden war, wurde der Fall zu den Akten gelegt. (...) Experten für Geheimdienstaktivitäten haben durchaus eine Theorie, wer hinter dem Anschlag stecken könnte. So kommt der Schweizer Professor [extern] Daniele Ganser zu dem Ergebnis, dass der Wiesnanschlag verblüffend gut ins Profil der Geheimarmee [extern] Gladio ([local] 92 Patronenhülsen, ein Balletttänzer und die CIA) passt, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs in ganz Europa operierte und die öffentliche Meinung nicht zuletzt durch terroristische Anschläge manipulierte. Immer, wenn irgendwo etwas Schreckliches geschah, wurden "die Linken" als Täter entlarvt. Daraufhin war die Bevölkerung mehr als bereit, bürgerliche Freiheiten aufzugeben und den offiziellen Sicherheitskräften größere Budgets zu bewilligen. Von diesen Geldern profitierte indirekt auch Gladio, so dass die angeblichen Vorsichtsmaßnahmen den Terror eher förderten als bekämpften.
Diese perfide Taktik wurde von Gladio-Mitglied Vincenzo Vinciguerra als "Strategie der Spannung" ([extern] Strategia della tensione) bezeichnet:
Man musste Zivilisten angreifen, die Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. […] Dreißig Jahre lang bis in die achtziger Jahre wurde die Bevölkerung absichtlich in Unruhe und Angst vor einem Ausnahmezustand gehalten. Bis sie bereit war, einen Teil ihrer persönlichen Rechte im Austausch für größere Sicherheit aufzugeben, für die alltägliche Sicherheit, die Straße entlang zu gehen, mit der Bahn oder dem Flugzeug zu reisen, in eine Bank zu gehen. Die Menschen in diese Haltung zu zwingen, das ist die Logik, die hinter den Verbrechen steckt. Und da der Staat dahinter steht, der sich nicht selbst belasten wird, werden diese Verbrechen unaufgeklärt bleiben.
Entstanden war Gladio mit Unterstützung amerikanischer Geheimdienste bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Ziel von Gladio bestand darin, den Einfluss kommunistischen Gedankenguts im Allgemeinen und der Sowjetunion im Speziellen möglichst gering zu halten. Um das zu erreichen, musste man treue Anhänger ausbilden, die im Fall einer Machtübernahme durch die Kommunisten vor Ort bleiben und das feindliche System von innen heraus bekämpfen würden. In seinem Buch [extern] NATO's Secret Armies: Terrorism in Western Europe zeigt Daniele Ganser, dass für [extern] fast jedes Land Europas eine solche "Stay Behind Organization" nachgewiesen werden konnte. Nach eigenen Angaben hat Ganser im Grunde keine neuen Quellenrecherchen betrieben, sondern nur zusammengetragen, was an Material bereits vorhanden war. Um im vielsprachigen Europa möglichst viele Leser zu erreichen, ist das Buch zunächst auf Englisch erschienen.
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