Dienstag, Mai 17, 2005
Frankfurter Rundschau online - Zehn von dreizehnhundert
In Mücka in Ostsachsen wehrt sich kaum ein Dutzend Einwohner gegen eine Neonazi-Disco und braune Umtriebe
In Mücka werden die Toten sonnabends beerdigt. Man sollte das erwähnen, wenn man verstehen will, was es auf sich hat mit dem Dorf in Ostsachsen, weit hinter Dresden, im Sand der Lausitz. Mücka, 1300 Einwohner, ein Edeka, ein Quelleshop mit Post, zwei Gasthäuser, ein Frisör, ein paar Handwerker, ein Bahnhof, der keiner mehr ist. Eingebettet in Wiesen, Wälder und Teiche eines Biosphärenreservates, Karpfen, Störche und Fischotter, 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Ein Dorf, in dem nichts los ist und in dem sich deshalb auch ganz gut beobachten lässt, dass es eine Sache ist, wenn ein Bundeskanzler zum Aufstand der Anständigen gegen Rechts aufruft. Und es eine andere Sache ist, das dann zu bewerkstelligen. (...) Vor gut zehn Jahren kam der "Wodan", die Neonazidisco. Ein moderner gelber Schuppen hinter den Gleisen. Zunächst eine normale Disco, sagen die Leute. Dann ging es wirtschaftlich bergab. Man spezialisierte sich auf Rechte. Hunderte brausten jedes Wochenende durchs Lausitzer Land zum "Wodan". "Singen und Tanzen für Deutschland", hieß das - und blutrünstige Skinheadmusik war es. Immer war die Polizei dabei. Wochenende für Wochenende. Und in Mücka störten sich die wenigsten daran.
Bis zum vergangenen Sommer, als der NPD-Verlag "Deutsche Stimme" sein so genanntes Pressefest in Mücka abhielt. Mitten im sächsischen Landtagswahlkampf. Diesmal war es mehr als Skinhead-Musik und Besäufnis. Fast 7000 kamen. Neonazis aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Da war mal richtig was los in Mücka. Hüpfburgen für Kinder; Bier, Würstchen, Neonazimusik und markige Sprüche für die Alten. Ein großes braunes Volksfest. Anschließend räumten NPD-Funktionäre und Helfer so gründlich auf, dass etliche Mückaer noch heute davon schwärmen. "Es war ein Schock", sagt Rietschel. "Die Leute sagten: Die machen weniger Dreck als unsere Mittelschüler. Alles aufgeräumt, blitzblank, vorbildlich." Gastwirte und Pensionsbesitzer freuten sich über die Einnahmen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen