Freitag, Juni 10, 2005

taz 10.6.05 Einig, radikal und bündnisfähig

Symbolische Siege reichen nicht im Kampf gegen NPD und DVU. Längst gibt es ein rechtspopulistisches Protestmilieu, zu dem weder Eliten noch Institutionen Zugang haben Die Diskussionen um Neuwahlen, um das Ende von Rot-Grün und um die künftige Kanzlerin Angela Merkel haben die Rechtsextremisten aus den Schlagzeilen verdrängt. (...) Der kurzatmigen medialen Skandalisierung folgt wieder einmal langatmiges Schweigen. Die Zivilgesellschaft ist zufrieden, die Politik lehnt sich zurück. Schließlich blieb die NPD bei den Wahlen in NRW unter einem Prozent. Genauso wichtig schien, dass die NPD zuvor am 8. Mai auch die symbolische Schlacht um den "Tag der Befreiung" verloren hatte. Zehntausende Berliner verhinderten eine Nazidemonstration vorbei am Holocaust-Mahnmal zum Brandenburger Tor. Frustriert zogen 3.000 Rechte wieder ab. Ein symbolischer Sieg, der im Alltag wenig nützt. Die neonazistische Szene wird radikaler und militanter, politikfähiger und professioneller. Sie bewegt sich in einem Umfeld, in dem weder Ausländerfeindlichkeit noch die Wahl der neonazistischen Parteien tabuisiert sind. Den öffentlichen Raum, der am 8. Mai in Berlin mit großem Aufwand blockiert wurde, haben NPD-Anhänger in großen Teilen Ostdeutschlands längst für sich erobert. Und nicht nur dort. NPD, DVU, Kameradschaften und Skinhead-Cliquen sind vielerorts kommunale Akteure. Sie prägen Subkulturen, bestimmen politische Diskurse. Für die politische Mobilisierung benutzen sie Aktionsformen, die bisher typisch für die Linke waren. Sie setzen auf Provokation und Tabubruch, auf symbolische Aktionen und kalkulierten Rechtsbruch - und erreichen damit ein rechtspopulistisches Protestmilieu, zu dem weder Politiker noch gesellschaftliche Eliten oder zivilgesellschaftliche Institutionen Zugang haben.

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