Mittwoch, September 07, 2005
taz 7.9.05 Schießen, prügeln, kandidieren
Der nette Fahrlehrer, der Herr Doktor von nebenan, rechtschaffene Leute allesamt, so bieder wie bürgernah - mit diesen Bildern ihrer Kandidaten gelang der NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen ein Sensationserfolg, sie bekam 9,2 Prozent. In ihrem Wahlprogramm wettern die Rechtsextremen gegen die angeblich steigende Gewaltkriminalität, fordern "Opferschutz statt Täterschutz" und dass Verbrechen sich nicht länger "lohnen" dürften. Unter den insgesamt 389 Bundestagskandidaten der NPD tummeln sich jedoch diverse Möchtegern-Parlamentarier, die mit ganz besonderen Qualitäten auffielen - als Räuber, Schläger oder Söldner.
Die meisten von ihnen sind nicht älter als Mitte 30, haben aber bereits einige Zeit im Knast hinter sich. Es sind Größen aus der Neonazi-Szene wie Thorsten Heise, Norman Bordin oder Marcus Winter - aber auch Alexander Neidlein, ein baden-württembergischer Jungkader aus der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). In ihren Strafregistern steht weit mehr als die in rechtsextremen Kreisen häufigen Vorstrafen wegen so genannter Propagandadelikte wie Volksverhetzung.
Eine Serie von Versehen? Dafür spricht nichts. Im Gegenteil: "Das ist ein Signal nach innen", urteilt der Rechtsextremismus-Fachmann David Begrich vom Verein "Miteinander" in Halle. Gerade in der Neonaziszene ist die Kooperation mit der NPD im Rahmen der "Volksfront"-Strategie umstritten. Den Kameraden fällt es schwer, sich mit einer Partei wie der NPD anzufreunden. Dass Parteichef Udo Voigt auch die - aus Kameradschaftssicht allzu brav und bieder agierende - DVU mit ins Boot geholt hat, verlangt den Neonazis einige Kompromissbereitschaft ab. Viele militante Kameraden zweifeln ohnehin, ob der Weg ins Parlament überhaupt der richtige ist. Ein paar vorbestrafte Gewalttäter und ehemalige Knastgänger unter den Kandidaten können die "Street Credibility" der "Volksfront" deshalb nur verbessern.
Prominentester Mittler für die militante Zielgruppe ist Thorsten Heise, 36, langjähriger Führer der Kameradschaft "Northeim" - und als Verbindungsmann zur Neonazi-Szene unlängst in den NPD-Vorstand berufen. Heise ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Nötigung und Landfriedensbruch. Der frühere niedersächsische Landeschef der inzwischen verbotenen FAP saß deshalb mehrere Jahre in Haft. Erst im Frühjahr 2003 beschlagnahmte die Polizei auf seinem Anwesen im thüringischen Fretterode hunderte CDs, Waffen und Munition. Nun kandidiert Heise für den Bundestag - auf Platz vier der thüringischen Landesliste und als Direktkandidat im Wahlkreis Eichsfeld-Nordhausen.
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