Mittwoch, Mai 11, 2005

junge welt vom 11.05.2005 - Fahrenheit 451

Herrschaft der Dummheit: Am 10. Mai 1933 brannten Bücher auf dem Berliner Opernplatz Im Zusammenhang mit Bücherverbrennungen, insbesondere jenen vom 10. Mai 1933, wird oft Heine zitiert: »Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.« Heine bezog sich dabei auf das Verbrennen von Büchern im Spanien und Portugal des 15. Jahrhunderts. Im vergangenen Jahrhundert wurde deutlich: Das Niederbrennen von Bibliotheken ist Ausdruck totaler Herrschaftsformen, die mit noch ganz anderen Methoden Wissen vernichten. (...) Aufgerufen wurden die Namen von Marx und Kautsky, Ernst Glaser und Erich Kästner, Sigmund Freud und Emil Ludwig, Theodor Wolff und Georg Bernhard, Alfred Kerr und E.M. Remarque, Tucholsky und Carl von Ossietzky. Verbrannt wurden im Namen der Ideologie Schriften der »Dekadenz und des moralischen Zerfalls, materialistische und klassenkämpferische Werke«, Schriften der »seelenzerfasernden Überschätzung des Trieblebens«, Publikationen, die »die deutsche Geschichte verfälscht und herabgewürdigt« hätten, »volksfremder Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung«, Bücher, die literarischen »Verrat am Soldaten des Weltkrieges« begangen und die »dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache« vorangetrieben hätten. Die Verbrennung auf dem Opernplatz in Berlin war der Auftakt für 30 weitere an deutschen Universitäten im Frühjahr 1933. Ende des Jahres hatte die Zensur weit größere Ausmaße angenommen. Mehr als 1 000 Bücher waren auf den Index gesetzt, schon ein Jahr später waren es 4 100. Im Verlauf der nächsten zwölf Jahre gingen in Deutschland und den besetzten Gebieten – einer Schätzung zufolge – 100 Millionen Bücher in Flammen auf.

Keine Kommentare: