Donnerstag, Juni 17, 2004
Weltwoche.ch - Hitlers williger Helfer
Der Luzerner Arzt Franz R. brachte es in Nazideutschland bis zum SS-Obersturmbannführer. Auch heute noch bittet er Besucher um Verständnis für den «Führer».
Die Schweizer Behörden drückten stets beide Augen zu, ihnen ging ihre Ruhe über alles. «Der gefährlichste Nazi-Schweizer»: Franz R., 97, in einem unbenutzten Zimmer seiner Münchner Wohnung. (Bild: Marek Vogel) Franz R. sitzt stramm in seinem Polstersessel und schaut aus dem Fenster auf die prächtigen Bäume im Park. An den schneidigen jungen Obersturmbannführer auf dem Foto der SS-Personalakte erinnern nur noch die hellwachen Augen und jener ausgeprägte Charme, der ihn bei den Nazis weit nach oben brachte. «Das Service stammt aus der Familie meiner verstorbenen Gattin», sagt der 97-Jährige auf Hochdeutsch, denn Mundart spricht er schon lange nicht mehr. Von seiner alten Heimat will der dürre Greis nichts mehr wissen. So essen wir «Kekse» statt «Guetzli» und trinken Filterkaffee aus Tassen eines Reichskriegsministers von Hitlers Gnaden. Franz R. sei nichts weniger als der «gefährlichste Nazi-Schweizer», schrieben die Schweizer Zeitungen vor sechzig Jahren. Welche Gefahr von ihm wirklich ausging, war damals in Bern umstritten. Bekannt war, dass R. die Schweiz Richtung Norden verlassen hatte, um Europas Germanisierung tatkräftig zu unterstützen. Im Berliner SS-Hauptamt hatte er eine ranghohe Position inne, zwei Hierarchiestufen unter Heinrich Himmler, dem «Reichsführer SS», und drei unter dem «Führer» Adolf Hitler. Gleichwohl unterliessen es die Schweizer Behörden bis zum Kriegsende, Dr. med. Franz R. wegen Landesverrats zu verfolgen – sei es aus Unwissen über seinen wahren Einfluss, sei es, weil man einen alten Bekannten schonen wollte. Die Kontakte des Luzerner SS-Offiziers R. zu obersten Nazis schätzten Schweizer Diplomaten ebenso sehr wie Militärs und Unternehmer. So ergab sich, dass Franz R. bis heute unbehelligt blieb und als scheinbar unbescholtener Bürger in München in einer kleinen Wohnung hinter dem Englischen Garten lebt.
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