Donnerstag, Oktober 27, 2005
taz 27.10.05 Stoiber kämpft für Pullacher Agenten-Häusl
Eigentlich sollte der Bundesnachrichtendienst komplett von Bayern nach Berlin ziehen. Alle wollten das - außer der CSU und Agenten mit Eigenheimen. In den Koalitionsverhandlungen will Stoiber den Plan doch noch revidieren
Auch nach seiner Nominierung als Bundeswirtschaftsminister im künftigen Kabinett von Angela Merkel versteht sich Edmund Stoiber als bayerischer Landesvater. Anfang der Woche erklärte der CSU-Chef, den geplanten Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) von Pullach nach Berlin im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPD neu verhandeln zu wollen.
Im April 2003 hatte Rot-Grün den Umzug des deutschen Auslandsgeheimdienstes beschlossen, damit der Geheimdienst näher an den politischen Entscheidungsträgern sitzt. Und alle waren dafür, die SPD und die CDU, die Grünen und selbst die PDS. Nur den Bayern lag der Plan die ganze Zeit schwer auf der Seele. Ob Stoiber mit seinem erneuten Vorstoß nun allerdings erfolgreich sein wird, ist offen. Immerhin hat der Bund im August für 47,6 Millionen Euro an der Chausseestraße im Berliner Bezirk Mitte bereits ein etwa zehn Hektar großes Gelände für ein neues Hauptquartier des Geheimdienstes gekauft. Bis zum 1. April 2006 soll hier allerdings ein Rücktrittsrecht vereinbart worden sein. Theoretisch könnte die neue Bundesregierung also noch vom Kauf zurücktreten. Damit pokert Stoiber jetzt offenbar, denn für Bayern geht es um einen großen Arbeitgeber und damit um ungefähr 4.000 Steuerzahler.
Eigentlich soll bis zum Jahre 2011 der "Komplettumzug" des BND vollzogen sein. Über eine Milliarde Euro wird das kosten. Auch viele der Agenten halten gar nichts davon, ihr Einfamilienhäuschen im Isartal gegen eine Mietwohnung in der quirligen Hauptstadt zu tauschen. Als Kompromiss, so ist zu hören, sollen nur einzelne Abteilungen nach Berlin ziehen, der Pullacher Standort jedoch soll erhalten bleiben. Dafür könnte sich Berlin offiziell Hauptstandort nennen dürfen, während Pullach als Außenstelle firmieren würde. Unterm Strich somit eine Umkehrung der gegenwärtigen Sprachregelung. Denn auch wenn man sie nicht sieht, bereits Mitte der 90er-Jahre kamen die ersten 200 BND-Geheimdienstler als so genannte Kopfstelle nach Berlin. Inzwischen sind es rund 1.000.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen