Mittwoch, Januar 18, 2006
Jungle World ··· 3/2006 Antifa ··· Der germanische Student
Die »Deutsche Burschenschaft« pflegt immer mehr Kontakte zur rechtsextremen Szene. Nun will die SPD die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft in der Partei und in den Burschenschaften erklären.
Der SPD steht eine in der Partei nicht ganz unumstrittene Entscheidung bevor. Im Februar soll der Parteivorstand die Mitgliedschaft in Studentenverbindungen, die im Dachverband »Deutsche Burschenschaft« (DB) organisiert sind, mit einer SPD-Mitgliedschaft für unvereinbar erklären. Hierzu forderte der Bundesparteitag in Karlsruhe vom vergangenen November den Parteivorstand auf. In den fünfziger Jahren war diese Unvereinbarkeit die Beschlusslage in der SPD. Nach dem Parteitag von Bad Godesberg 1959 wollte sich die SPD jedoch der »demokratischen Mitte« öffnen. Dass man in der »Deutschen Burschenschaft« sich nicht immer nur der Demokratie verpflichtet fühlt, wird jedoch immer offensichtlicher. (...) Die Jusos schrieben damals in einem offenen Brief an Bahr, Burschenschaften seien nicht »mit den Grundwerten der Sozialdemokratie« vereinbar: »Burschenschaften behandeln Menschen ungleich, Frauen werden oft wegen ihres Geschlechtes strukturell benachteiligt. Für viele Burschenschaften sind rassische Kriterien, Nationalität, sexuelle Orientierung, Religion oder die Wehrdienstverweigerung Ausschlusskriterien für eine Aufnahme.«
Vielleicht sollte Bahr sich auch noch Nachhilfe von dem einen oder anderen Verfassungsschützer holen. Denn so manche Burschenschaft wird inzwischen beobachtet. Der Verfassungsschutz in Hessen etwa verfolgt die Aktivitäten der Burschenschaft Dresdensia-Rugia in Gießen. Sie avanciere zur »Denkfabrik der extremen Rechten«, heißt es. Von einer »neuen Qualität« sprach der Leiter der Behörde, Lutz Irrgang, im vorigen Jahr. »Hier wird über eine konzeptionelle Zusammenarbeit nachgedacht, und nicht nur das.« Aufmerksam wurde der Verfassungsschutz wohl durch den Einzug der NPD in den sächsischen Landtag im Jahr 2004. In der Fraktion fand sich am Ende auch ein Gießener Burschenschafter wieder.
Traditionell werden rechte Ideologen von Burschenschaften zu Vorträgen eingeladen. »Die germanische Mythologie in Vergangenheit und Gegenwart« lautet etwa ein Vortrag der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald in dieser Woche in Greifswald. Ihre Kameraden von der Greifswalder Burschenschaft Rugia luden unlängst zum Geschichtsstündchen mit dem früheren General Gerd Schultze-Rhonhof, der unter anderem die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg relativiert. Sein Thema lautete »1939: Der Krieg, der viele Väter hatte«.
Immer mehr verstärkt sich der Eindruck, dass Burschenschaften wie die Dresdensia-Rugia Gießen oder die Greifswalder Rugia als Kaderschmieden für die NPD und andere rechtsextreme Gruppen dienen. Die Zahl der Bundesbrüder mit einem Parteibuch der NPD gibt der Senior der Greifswalder Rugia, Phidias Wienrich, mit »unter fünf Prozent« an. Ein Bekenntnis zu den Nationaldemokraten falle aber unter die »freie Meinungsäußerung«. Bernd Biedermann von der Greifswalder »Freitagsrunde«, einer Initiative, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert, geht von »mindestens vier Hilfsnazis bei der Rugia« aus. Auf Demonstrationen der NPD seien »Markomannen und Rugier immer wieder gemeinsam fahnenschwenkend« aufgetaucht.
Auch der Bundesgeschäftsführer der Jungen Nationaldemokraten (JN) ist ein Greifswalder Bursche: Mathias Rochow ist »Alter Herr« der Rugia. Deren »Heimatseiten« im Internet sind auf ihn registriert. Für die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) gestaltete er Flugschriften mit Titeln wie »Ostpreußen soll leben«. Auf dem im Stil nationalsozialistischer HJ-Propaganda gehaltenen Papier ist die Adresse des Verbindungshauses der Rugia angegeben. »Mein NPD-Engagement ist meine Privatsache, die ich nicht in die Burschenschaft hineintrage«, wiegelt Rochow auf Anfrage ab.
siehe auch: Rechte Burschenschaftler unerwünscht. Zahlreiche Burschenschaften entfalten rechtsextreme Aktivitäten. Das gilt insbesondere für den Dachverband „Deutsche Burschenschaft“. Dürfen dessen Mitglieder trotzdem Mitglied der SPD sein? Auf der SPD-Vorstandsklausur in Mainz wurde dazu eine Entschließung verabschiedet. Sie bekräftigt, dass „die Traditionen und Grundsätze der SPD mit derartigen Aktivitäten und Ideologien nicht vereinbar sind“. Den Jusos geht das nicht weit genug. Der „vorwärts“ sprach mit Björn Böhning, Juso-Bundesvorsitzender.
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