Montag, Januar 02, 2006

Pressehaus Heidenheim: Braune Töne aus dem rechten Sumpf

Terroristen mit E-Gitarren: Race War aus Schwäbisch Gmünd als kriminelle Vereinigung eingestuft Die Neonazi-Szene boomt: Im Land hat sich die Zahl der Konzerte fast verdoppelt, der Verfassungsschutz stuft erstmals mehr als 1000 Skins als rechtsextrem ein. Gegen eine der 18 braunen Bands wurde jetzt Anklage erhoben - wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. "Wir sind Nazis und stolz darauf", singt Max Hirsch, Frontmann der Band "Race War" aus Schwäbisch Gmünd bei einem Auftritt in Belgien vor rund einem Jahr. Fast 2000 Skinheads sind zu dem Konzert des internationalen Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour" angereist. Zum größten Konzert, das Race War in seiner vierjährigen Band-Geschichte gegeben hat. Das Ermittlungs-Verfahren gegen vier junge Männer aus dem Raum Schwäbisch Gmünd läuft zu diesem Zeitpunkt schon fast zwei Jahre lang. Zwei von ihnen stehen auf der Bühne, mit Nikolaus-Mütze und Banditen-Tuch vermummt: Sänger Max Hirsch und Gitarrist Gerhard Miller. Hirsch zeigt nach wenigen Liedern Gesicht: Beim "Sieg Heil"-Schreien rutscht das Tuch. Er hat keine Hand frei, um das zu verhindern, weil er mangels Musikern selbst eine Gitarre halten muss. Nach den Hausdurchsuchungen im Mai 2003 bei den vier mutmaßlichen Race-War-Mitgliedern ist die Kapelle zum Duo geworden. Vor allem der fehlende Schlagzeuger hat manchen Auftritt verhindert. Selbst mit Sturmhaube wagte es kaum mehr jemand, aushilfsweise den Takt vorzugeben - bei einer Band, die sich in ihren Liedern zum Kampf für ein "Viertes Reich" bekennt und ankündigt, dass "unsere Terror-Attacken die Welt verändern werden". Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hält die Band nach rund dreijährigen Ermittlungen für eine kriminelle Vereinigung. Die Anklage richtet sich gegen vier Männer im Alter von 21 bis 25 Jahren. Sie sollen sich vor der Staatsschutz-Kammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist nachzulesen, was die Ermittlungen verzögert hat: "Die Band-Mitglieder setzten alles daran, für Außenstehende unerkannt zu bleiben. Bilder von Auftritten und die Namensnennung von Mitgliedern versuchten sie zu vermeiden." Race War konnte vor bis zu 800 Personen spielen, ohne dass die Band in einem "Weltnetz-Forum" der Szene erwähnt worden wäre - wenn doch, dann als "Backstreet Boys aus dem Süden". Im Ausland spielt Race War meist als Überraschungsgast, in Deutschland nur vor handverlesenen Kameraden. Im Unterschied zu anderen Neonazi-Bands fanden die Race-War-Musiker von Anfang an besonderen Anklang in der Szene: Sie brachten musikalische Erfahrung aus Metal-Bands mit. Hinzu kamen die Texte, in denen sie strafrechtlich aus dem Vollen schöpften: Verherrlichung der SS, Jubel über den Anschlag auf das World Trade Center, Aufruf zum Krieg gegen Israel, Verherrlichung des Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour", das in Deutschland verboten ist - und ein "Heil" auf das "Combat 18", die "Kampfgruppe Adolf Hitler". (...) Beim belgischen B&H-Konzert mit Race War übernahmen Deutsche den Schleuser-Dienst am konspirativen Treffpunkt und sie kassierten den Eintritt. Es hingen die Flaggen von "Blood & Honour" und "Combat 18" hinter der Bühne, gleich daneben auch jene der "Boot Boys Riesa" und der "Kameradschaft Aachner Land". Mit dabei im "B&H"- T-Shirt war auch der Karlsruher Versandhändler Hartwin Kalmus, einst Vize-Chef des Neonazi-Netzwerks in Baden. Offen wie nie zuvor tauschte sich die Neonazi-Szene im November im "Weltnetz" über die Existenz der neuen Strukturen aus. Nach internen Streitereien hatten B&H-Aktivisten offenbar ein Skin-Konzert bei Heppenheim überfallen, den Veranstalter krankenhausreif geschlagen, Gäste bedroht und die Kasse mit dem Eintrittsgeld geraubt. Im angrenzenden Rhein-Neckar-Gebiet hielten braune Konzert-Veranstalter die Polizei bis April 2005 in Atem. Im Haus des Motorrad-Clubs "Bandidos" waren die Neonazis gern gesehene Gäste.

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