Samstag, März 18, 2006
Rechtsradikale in Ostdeutschland: Der alltägliche Irrsinn - Politik - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten
Rechtsextremismus gehört in weiten Teilen Ostdeutschlands zum Alltag. Nur Gewaltexzesse finden noch den Weg in die Schlagzeilen. Doch berichtet wird meist nur über die Täter. Eine Reportage über den Arbeitstag des Dessauer Opferberaters Marko Steckel.
Amtsgericht Wittenberg. Im Saal 207 geht es zu wie auf einer Klassenfahrt. Ein Dutzend Jugendlicher sitzt in den Zuschauerbänken. Sie lachen, sie murmeln beifällig und tauschen aufmunternde Blicke mit den Angeklagten aus. Der einzige, der sich die Anspannung anmerken lässt, ist Martin Jante. Der 23-Jährige schildert dem Gericht, wie drei der Beschuldigten ihn am 30. Dezember 2004 im Örtchen Radis krankenhausreif geprügelt und ausgeraubt haben. Die Prellungen und Blutergüsse sind längst verheilt, doch Angst hat er bis heute. Ein alltäglicher Fall für Marko Steckel von der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Dessau. Er hat Jante zum Prozess begleitet und ihn seit dem Überfall betreut. Steckel zweifelt nicht am Hintergrund der Tat. Jante ist Jugendsprecher des Wittenberger Kreisverbandes der Linkspartei, die Ansichten seiner Peiniger spiegeln sich in den Symbolen auf den Jacken ihrer angereisten Fans. Einer führt die Zahl 18 für Adolf Hitler mit, ein zweiter, der auch als Zeuge aussagt, die 28 für "Blut und Ehre".
Doch weder Richterin noch Staatsanwältin halten sich mit der Motivsuche auf. Im Wechsel mit den Verteidigern versuchen sie herauszufinden, wie betrunken die Angeklagten an dem Abend waren.
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