Freitag, März 31, 2006
BND: "Schweinehunde" willkommen - Panorama - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten
Jüngst freigegebene US-Akten belegen, dass im Bundesnachrichtendienst weit mehr NS-Schergen beschäftigt waren als bisher bekannt. Das führte anfangs zu Verwerfungen zwischen konkurrierenden amerikanischen Geheimdiensten.
Agent V-616 hatte eine bewegte Vergangenheit. Er war Sturmbannführer der SS, leitete in den besetzten Niederlanden die Gestapo und befehligte kurzzeitig das Lager Westerbork nahe Groningen - von wo aus Juden in die Gaskammern deportiert wurden. Der Mann hieß Erich Deppner. Oder auch Egon Dietrich. Oder Ernst Borchert. Heinrich Himmler, der SS-Chef, hatte ihn während des Krieges für höhere Aufgaben empfohlen. Ein solches Avis war für manche NS-Kämpfer zeitlos, auch für Deppner: Er heuerte im neuen Deutschland beim Bundesnachrichtendienst (BND) an, der in der Frühphase "Organisation Gehlen" hieß und dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA unterstand. (...) Bekannt war auch, dass SS-Obersturmführer Hans Sommer, der 1941 im besetzten Paris sieben Synagogen sprengen ließ, Unterschlupf beim BND fand, ebenso wie der Eichmann-Adjutant Alois Brunner, der immer noch weltweit wegen hunderttausendfachen Judenmords gesucht wird - Brunner soll als illegaler BND-Resident in Damaskus operiert haben.
"Wir wussten, was wir taten", sagte der CIA-Russland-Experte Harry Rositzke. "Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendeten. Hauptsache, er war Antikommunist."
In welchem Ausmaß dies geschah, wird erst allmählich offenkundig. Neue, bislang unbekannte Namen tauchen in den CIA-Akten auf, quer durch alle Repressionsapparate der Nazis, ob Reichssicherheitshauptamt und Militärpolizei, Feldgendarmerie oder Gestapo. Karl Guse beispielsweise, der verdächtigt wurde, Kriegsverbrechen in Russland begangen zu haben. Veteranen aus Einsatzgruppen wie Walter Kurreck oder Konrad Fiebig; Letzterem wurde später die Ermordung von 11 000 Juden in Weißrussland angelastet. Alexander Dolezalek hatte in Posen sowie in Lodz Kleidung und Wertgegenstände aus den von Nazis im besetzten Polen errichteten Vernichtungslagern versilbert. Historiker wie der amerikanische Spezialist Kevin C. Ruffner gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent aller Gehlen-Mitarbeiter der Frühphase in Machenschaften der SS verwickelt waren, bis hin zum Jahrtausendverbrechen Holocaust. Bei einer vermuteten Stärke der Organisation Gehlen von 4000 Mann im Sommer 1949 wären das etwa 400 Mann gewesen.
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