Freitag, März 24, 2006
Tagesspiegel Online : Fräulein Stolz
Was bleibt von der Nazizeit ohne Holocaust?, fragt die Verteidigerin des Volksverhetzers Ernst Zündel
Sylvia Stolz ist Vegetarierin. (...) Sie sagt: „Hitler war auch Vegetarier.“ Nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang gäbe; Stolz will damit etwas wie eine Seelenverwandtschaft beschrieben wissen, die gemeinsame Liebe zum Tier.
Sylvia Stolz, 42 Jahre alt, ist Anwältin. Seit einiger Zeit schon hat sie ein neues Lebensthema, und wenn man sie fragt, wie sie darauf gekommen ist, dann sagt sie, dass dies in gewisser Weise auch mit ihrem Engagement für den Tierschutz zu tun habe. Ihr neues Lebensthema ist der Holocaust. Sie glaubt nicht, dass es ihn gegeben hat. „Ich habe festgestellt, dass der Holocaust nicht offenkundig ist.“ Sylvia Stolz sagt: „Die Deutschen an sich neigen nicht dazu, andere zu quälen.“ (...) Vor dem Mannheimer Landgericht verteidigt die zierliche Anwältin mit der hellen Mädchenstimme derzeit den notorischen Holocaust-Leugner Ernst Zündel, einen fanatischen Judenhasser, der im März vergangenen Jahres von Kanada in die Bundesrepublik abgeschoben wurde. Sie verteidigt mit Inbrunst und innerer Überzeugung, vor allem aber nach einem Drehbuch, das der Rechtsextremist Horst Mahler geschrieben hat und das dieser „Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocausts“ nennt. Mahler hätte gerne, dass Deutschland mit Tausenden solcher Prozesse überzogen würde. Er hofft, dass so aus den „Verfolgten“ Verfolger werden. Sylvia Stolz hofft das auch. So etwa vor fünf, sechs Jahren ist sie auf Mahler aufmerksam geworden, damals hatte sie dessen offenen Brief an den Historiker Daniel Goldhagen („Hitlers willige Helfer“) gelesen und Mahler als einen „klugen Mann mit Biss“ identifiziert. Im Zündel-Prozess hat sie versucht, Mahler, der den Anwaltsberuf nicht mehr ausüben darf, als ihren Assistenten auf die Verteidigerbank zu holen. Das Gericht ließ sich darauf nicht ein. (...)
Das alles hat ihr in der rechtsextremen Szene mittlerweile einen Ruf wie Donnerhall eingebracht, viel fehlt nicht mehr zum Ikonen-Status – „Der Kontrast zu diesem Richter, einer armseligen Kreatur mit Namen Meinerzhagen“, heißt es auf einschlägigen Internetseiten, „könnte nicht größer sein.“ Ein anderer äußert sich wohlwollend, dass auch das äußere Erscheinungsbild von „Fräulein Stolz“ stimmig sei. Die Anwältin trägt, nicht nur bei ihren Auftritten im Mannheimer Landgericht, den Thorshammer um den Hals, ein Amulett, das in rechtsextremen Kreisen sehr beliebt ist. Sylvia Stolz sagt, sie kenne die Bedeutung, sie habe es sich ja deshalb vor ein paar Jahren gekauft: „Gott Thor schützt das, was zu beschützen ist.“ Dann sagt sie noch: „Wie definieren Sie rechtsextrem?“ Und: „Was meinen Sie mit Szene?“ Sylvia Stolz fragt häufig danach, wie man etwas definiert.
Durch den Mannheimer Prozess ist der Popularitätsschub für die Anwältin mittlerweile so enorm, dass im heimischen Ebersberg das Telefon kaum noch still steht, aus ganz Deutschland, erzählt sie, meldeten sich Ratsuchende und Ermunterer. Für ihre Verhandlungsführung gab es obendrein ein ausgesuchtes Lob von Zündels Ehefrau Ingrid Rimland-Zündel – Sylvia Stolz, schreibt Rimland-Zündel, habe „ein Rückgrat aus Stahl und die Schönheit einer Mangrove“.
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