Dienstag, Juni 08, 2004

Volksstimme Artikel - Nicht sichtbar, aber die ganze Zeit da

Grosses Erstaunen: Der kantonale Rechtsextremismus-Experte hat das Gewaltpotenzial der rechtsextremen Jugend unterschätzt. Vertreter von Schule und Gemeinde in Sissach und Gelterkinden sind hingegen überrascht, dass die Täter aus dem Oberbaselbiet stammen. Versuch einer Standortbestimmung. pm./los. Eine Überraschung ist es nicht, dass eine Gruppe Jugendlicher aus dem Oberbaselbiet braunes Gedankengut mit sich herumträgt: Ein Umzug zu Ehren eines Hitler-Stellvertreters vor vier Jahren in Liestal hat die Szene sichtbar gemacht. Die Baselbieter Regierung setzte eine Arbeitsgruppe ein, schuf die Anlaufsstelle gegen Rechtsextremismus und ortete einen der neuralgischen Punkte in Ormalingen. Trotzdem hat der Überfall auf den Coop-Pronto-Shop in Lies tal vom 30. April eine Schockwirkung für das Oberbaselbiet: Nachdem sich die Szene mitglieder während den vergangenen rund zwei Jahren weitgehend aus dem öffentlichen Raum zurückgezogen haben, meldeten sie sich jetzt mit einem anarchischen Gewaltakt sonder gleichen zurück. Die Mehrzahl der zwölf Täter und drei Täterinnen stammt aus dem Raum Sissach und Gelterkinden. «Völlig überrascht» «Völlig überrascht» zeigt sich Gelterkindens Gemeinde rätin und Jugendkommission-Patin Christine Mangold. Nachdem Ormalingen als Treffpunkt ausgedient hatte, habe sie keine Meldungen mehr über rechtsextreme Aktivitäten erhalten. Auch in Sissach war man sich des Gewaltpotenzials einzelner Jugendlicher nicht bewusst. Der für öffentliche Sicherheit zuständige Gemeinderat Peter Buser: «Ich wurde in der jüngeren Vergangenheit im Dorf nie auf dieses Thema angesprochen.» Auch an den Schulen – ein Drittel der Täter ist minderjährig – hat sich der Sturm nicht an gekündigt. Seit zwei Jahren sei die rechtsextreme Szene an der Schule weder grösser noch kleiner und auch nicht auffälliger geworden, sagt Ernst Dettwiler, Mitglied der Schulleitung im Sissacher Tannenbrunn. Aber man dürfe sich keinen Illusionen hin geben: Ob sichtbar oder nicht, respektive ob «etwas passiert oder nicht»: Die Szene sei immer vorhanden. «Rechtsextreme hatten wir vor zwei Jahren, heute aber nicht mehr», sagt Peter Erbacher, Mitglied der Schulleitung im Bützenen. Fans von Schweizerkreuzen gäbe es schon, die Grenzen zu Skinheads seien wohl fliessend.

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