Samstag, März 04, 2006
Jungle World ··· 9/2006 Antifa ··· Ein Link für Rechte
Das rechtsextreme Internetportal »Störtebeker-Netz« bietet jedem Neonazi etwas. Trotzdem streitet die rechte Szene darüber
Sie waren der Alptraum jedes Kaufmanns: die so genannten Vitalienbrüder. »Gottes Freund und aller Welt Feind« – das war ihr Topos, Nord- und Ostsee ihre Jagdreviere. Als Rächer der Armen kämpften sie im späten 14. Jahrhundert gegen das frühkapitalistische System der Hanse. Ihre Beute teilten sie gerecht untereinander auf. Vor allem Klaus Störtebeker (»Stürz den Becher«) handelte sich später, wohl allein wegen seines klingenden Namens, den Ruf ein, ein »Robin Hood der Meere« gewesen zu sein. »Sein Wirken muss als sozialer Protest der Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen das Handelsbürgertum gewertet werden«, schrieb der DDR-Historiker Johannes Schildhauer im Jahr 1981.
Gut 600 Jahre nach seinem Tod ist Störtebeker vor allem eines: ein romantisch verklärter Volksheld. Stark, mutig und trinkfest soll er gewesen sein. Selbst ein Bier trägt mittlerweile seinen Namen: »Störtebeker – das Bier der Gerechten«. Die Störtebeker-Festspiele auf Rügen ziehen seit Jahren Tausende Touristen an.
Doch aus dem Mythos Störtebeker bedienten sich auch schon die Nationalsozialisten. Sie machten aus ihm zu Zwecken der Propaganda einen »nordischen Freibeuter«. Und auch die Rechtsextremisten von heute beziehen sich auf ihn. Das besondere Interesse der Rechten am »Mythos Störtebeker« beruhe darauf, dass er »ein Rebell war, der gegen das Handelssystem kämpfte«, glaubt der Vorsitzende der NPD in Ostvorpommern, Christian Deichen. Das mache ihn zu einem »vorkämpferischen Ideal, das Freiheit und Kampf dem ›Establishment‹ symbolisiert«. Die rechte Szene brauche solche »historischen Vorbilder, die international als Staatsfeinde gelten«. Auch wenn »das mit dem eigentlichen Störtebeker nicht viel gemein hat – abgesehen von der Fight-the-System-Einstellung«.
Eines der wichtigsten Internetportale der Neonazis nennt sich »Störtebeker-Netz«. Der Verfassungsschutz rechnet es zu den aktivsten rechtsextremen Seiten im Internet. Seine Aufmachung und Funktionsweise wirken, als seien sie von Indymedia abgeguckt. Betrieben wird das Portal seit dem Jahr 1998 vom Stralsunder Neonazi Axel Möller. Täglich kommentiert er am Computer in seiner Dachgeschosswohnung Politik und Gesellschaft.
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