Mittwoch, September 21, 2005

Jungle World 38/2005 International - Braun gegen Orange

Die russische Justiz reagiert härter auf rassistische Übergriffe. Doch rechtsextreme Schlägerbanden haben weiterhin Verbindungen zu regimetreuen Gruppen Die als westlich und weltoffen gepriesene Metropole St. Petersburg nimmt in Russland in der Statistik rassistischer Übergriffe mit Todesfolge längst einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Mitte vergangener Woche starb der kongolesische Student Rolan Eposak an den schweren Verletzungen, die ihm wenige Tage zuvor auf der Straße von einer Gruppe Unbekannter zugefügt worden waren. Die Polizei erklärte inzwischen, die Personalien der Verdächtigen seien festgestellt, es handele sich keinesfalls um einen rassistischen Mord. Der Rektorenrat der Petersburger Universitäten sprach von einem »tragischen Zufall«. Solche Reaktionen sind die Regel, wie in westlichen Ländern auch. Um einen Zufall wird es sich indes kaum gehandelt haben. Rassistische Straftaten gehören in Russland zum Alltag, neben Angehörigen verschiedener kaukasischer Nationalitäten sind immer häufiger Menschen aus afrikanischen Ländern, Vietnam und China davon betroffen. Im Jahr 2003 wurden 20 solcher Morde verzeichnet, vergangenes Jahr waren es nicht weniger als 44. In diesem Jahr ist Eposak das elfte Todesopfer. In mindestens 200 weiteren Fällen verliefen die Übergriffe glimpflicher, aber man muss davon ausgehen, dass längst nicht alle Angriffe in der Öffentlichkeit bekannt werden. Im Unterschied zu den Vorjahren reagierten die Gerichte mit härteren Strafmaßnahmen. Sie verhängten bis 19 Jahre Haft, und auch die Häufigkeit von Verurteilungen hat zugenommen. Doch gilt in der Regel, dass die Miliz erst im Todesfall Ermittlungen in die Wege leitet, so dass viele Überfälle erst gar nicht vor Gericht kommen. Bei den Tätern handelt es sich meist um rechtsextreme Skinheads, deren Ideologie sich nicht selten an deutschen Nazivorbildern orientiert. Das russische Innenministerium beziffert ihre Anzahl auf etwa 10 000, anderen Schätzungen zufolge gibt es in Russland mittlerweile über 50 000 Skinheads. Sie sind östlich des Urals eine eher seltene Erscheinung, im europäischen Teil Russlands dagegen bleibt kaum eine Stadt von ihnen verschont. Der Großteil der Skins ist jedoch im Moskauer Umland und in St. Petersburg ansässig. Obwohl die Justiz härter auf rassistische Gewalttaten reagiert, gibt es weiterhin Verbindungen zu Angehörigen des Staatsapparats und von ihm beeinflussten Organisationen. Viele Skinheadgruppen agieren unabhängig von den einschlägigen rechtsextremen Parteien und Verbindungen. Dies zumindest behauptet die Miliz, allerdings gibt es regionale Unterschiede. In Städten mit sichtbaren Parteiaktivitäten stellen Verbindungen zwischen der Russischen Nationalen Einheit (RNE) und Skins die Norm dar.

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