Mittwoch, März 15, 2006
Jungle World ··· 11/2006 Reportage ··· Auf den Klempner ist Verlass
Im April könnte in Reinhardtsdorf-Schöna in der Sächsischen Schweiz der erste NPD-Bürgermeister Deutschlands gewählt werden.
Schwungvoll fliegt die Tür zur Sporthalle in Reinhardtsdorf-Schöna auf. »N’ Abend!« Die Truppe, die den lauten, zackigen Gruß von sich gibt, ist kein Karnevalsverein, obwohl die Kleidung – Loden und Trachtenjanker sowie schlecht sitzende Anzüge – diesen Eindruck vermittelt. Schließlich ist in dem Ort gerade Fasching, wie das Fest hier in der Sächsischen Schweiz heißt. Der große Dorffasching fand allerdings schon eine Woche vorher statt. In der Mehrzweckhalle ist davon noch ein penetranter Alkoholgeruch übrig geblieben. Bei den acht Männern, die nun diesen zentralen Ort des dörflichen Lebens betreten, handelt es sich um örtliche NPD-Kader, darunter die Gemeinderatsmitglieder Mario Viehrig und Michael Jacobi. Angeführt wird die Gruppe von Johannes Müller, dem Kreisvorsitzenden und Abgeordneten im sächsischen Landtag. Sie nehmen an einer Biergarnitur Platz, bestellen Bier und Würstchen.
An diesem Abend Anfang März hat die Linkspartei die 1 600 Bürger des Ortes zu einem »offenen politischen Forum« über die Bestrebungen zur Fusion mit der Nachbargemeinde Bad Schandau geladen. Gekommen sind neben den NPD-Mitgliedern rund zwei Dutzend Bürger, ein paar Vertreter der CDU aus Bad Schandau, rund zehn Mitglieder der Linkspartei und mindestens genauso viele Journalisten von regionalen Fernseh- und Radiosendern, die jedem Bürger, der eine Frage stellt, sofort die Fernsehkamera oder das Mikrofon ins Gesicht halten.
Eine sehr skurrile Atmosphäre, in der in der Hauptsache über die Kommunalpolitik gesprochen wird. Die Bürger in Reinhardtsdorf-Schöna wollen keine Fusion mit Bad Schandau. Sie haben Angst, die Schulden zu übernehmen und ihre eigene Gemeindevertretung zu verlieren. Die Linkspartei argumentiert ähnlich wie die NPD, die mittels eines Bürgerbegehrens eine Abstimmung der Einwohner über die Vereinigung erzwungen hat. Die erforderlichen Stimmen hierfür zu sammeln, stellte für die NPD kein Problem dar. Bereits bei den letzten Kommunalwahlen im Juni 2004 fuhr die rechtsextreme Partei satte 25,1 Prozent ein, so dass sie zur zweitstärksten Kraft im Dorf wurde und es als »braunes Nest« in der ganzen Republik bekannt machte. (...) An diesem Tag ist die B-Jugend des Vereins an der Reihe. Die knapp zehn Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren warten auf den Trainer. Einige tragen Tarnjacken, andere Kleidungsstücke der bei Neonazis beliebten Marke »Thor Steinar«. Wieder andere haben HipHop-Klamotten an. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird getobt und im Schnee gebalgt. Gegenüber Fremden gibt man sich jedoch wortkarg. In letzter Zeit kämen oft Leute, um sie zu »löchern«, wie einer sagt. Schließlich gebe es das Gerücht, dass sie »extrem« seien. So hätten sie ihren Jugendclub verloren, nur weil »da einige Idioten ›Sieg Heil‹ geschrien haben, als die Polizei vorfuhr«. »Hey, du warst doch selber …«, will ein Junge dem Redner mit der Tarnjacke ins Wort fallen. Er wird jedoch sofort vom lauten »Hatschie« eines Dritten unterbrochen. Zur NPD fällt ihnen vor allem ein, dass sie »nicht verboten ist«, und auch auf den Jacobi lassen sie nichts kommen. »Es ist schon hart, wenn ein einfacher Waffennarr so abgestempelt wird«, meint einer.
Beim Klempnermeister Jacobi wurden im Sommer 2000 bei einer Razzia Sprengstoff und Schusswaffen sichergestellt. Doch das war kein Grund, seine Reputation in Frage zu stellen. Im Gegenteil, weil eine Verurteilung des NPD-Manns wegen der Waffenfunde ausblieb, steigerte sich offenbar das Ansehen des Klempners bei den Dorfbewohnern noch.
siehe auch: Chancen für ersten NPD-Bürgermeister. In einem sächsischen Dorf könnte bald ein NPD-Kandidat zum Bürgermeister gewählt werden. Ein NPD-Bürgerbegehren stoppte eine Gemeindefusion, die die Wahl verhindert hätte. Möglich macht dieses indirekt die zerstrittene Union
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