Donnerstag, April 06, 2006

Jungle World ··· 14/2006 Antifa ··· Schläger aus Kurpfalz

In der Region Rhein-Neckar treten Neonazis immer offensiver auf. Manchmal prügeln sie sich aber auch untereinander Es gibt kein ruhiges Hinterland. Derzeit ist das besonders deutlich in der Region um Mannheim und Ludwigshafen zu beobachten. Nicht nur, dass fast die gesamte Struktur der regionalen Neonazi-Szene vor kurzem durch den Hack des internen Internetforums Hatecoretk.com offen gelegt wurde, auch bekämpfen sich die Kameraden kräftig untereinander. Das mag Grund zum Schmunzeln sein, doch tritt der »nationale Wider­stand« immer offener und häufiger mit Aktionen in Erscheinung. Anfang der neunziger Jahre herrschte in der Region schon einmal eine rechte Hegemonie. In fast jeder Kleinstadt gab es damals eine Neonazi-Szene, und die Republikaner erreichten 1992 über zehn Prozent bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Im selben Jahr griffen hunderte Bür­ger über mehrere Tage hinweg ein Flüchtlingsheim im Mann­­heimer Stadtteil Schönau an. Nachdem es Ende der Neunziger relativ ruhig geworden war, konnte man in den vergangenen Jahren eine Re­orga­nisierung der Neo­nazis be­obach­ten. Einige Nazikader haben sich mitt­lerweile in Mannheim und Ludwigshafen niedergelassen, der wohl bekannteste unter ihnen ist der mehrfach wegen Gewalttaten vorbestrafte Christian Hehl. Der auch über deutsche Grenzen hinaus bekannte Aktivist der inzwischen verbotenen Organisation Blood & Honour war im vergangenen Jahr vor allem damit beschäftigt, Neo­na­zi­kon­zer­te im Treffpunkt des Mannheimer Rocker­clubs »Bandidos« zu organisieren. Zeitweise gab es dort fast wöchentlich Veranstaltungen, so dass »im ersten Halbjahr 2005 alleine in Mannheim mehr Nazirockkonzerte stattgefunden haben als 2004 in ganz Baden-Württem­berg«, wie es in einer Antifa-Broschüre heißt. Ein weiterer Anführer der Szene ist Mat­thias Her­mann aus Ludwigshafen, der sich vor allem mit der Koordinierung des »Aktionsbüros Rhein-Ne­ckar« beschäftigt. Dies ist ein Zusammenschluss verschiedener »freier Kameradschaften« und zählt dem Informationszentrum Apabiz zufolge zu den »aktivsten Neonazistrukturen in ganz Deutschland«. Das »Büro« wurde im Sommer 2003 gegründet, seine Mitglieder tun sich vor allem mit ihrem provokanten Auftreten hervor. Im Bundestagswahlkampf störten sie mehrere Veranstaltungen großer Parteien, und im hessischen Bensheim griffen sie eine Informationsveranstaltung gegen den Heß-Marsch an. Im Oktober tauchten sie bei einer Lesung von Jan Phillip Reemtsma in Mannheim mit über 60 Kameraden auf und bedrohten die Zuhörer. Zuletzt flog im Dezember ei­ne Kampf­sportgruppe von Mitgliedern des Aktionsbüros in Mannheim auf. Kenntnisse in Selbstverteidigung brauchen die Neonazis offensichtlich auch, um sich gegen die eigenen Kameraden zu schützen. Im November überfielen Mitglieder der »White Unity«, einer Nachfolgegruppe der unterfränkischen Abteilung von Blood & Honour, ein Konzert, das vom »Nibelungensturm Odenwald« organisiert worden war. Mit sieben Autos fuhren sie in dem kleinen hessischen Ort Mitlechtern vor, prügelten mehrere ihrer Kameraden krankenhausreif, bedrohten die Anwesenden mit abgebrochenen Bierflaschen und verbrannten im Anschluss T-Shirts und Propagandamaterial des »Nibelungen­sturms«. Auch die Kasse nahmen sie mit.

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