Donnerstag, April 06, 2006
Jungle World ··· 14/2006 Provinz ··· Hoyerswerda in Pankow
Es ist schwül. Die Vorgartenidylle in Heinersdorf, im Ostberliner Bezirk Pankow, wird in die dunkleren Farbtöne des frühen Abends getaucht. Für die Heinersdorfer Bürger das ideale Aufmarschwetter. Unaufhörlich strömen die Massen heran. In pinke Steppjacken oder beige Blousons gehüllt, aber auch in den landestypischen Jogginghosen und Hauspantoffeln geht es an diesem Donnerstag zum Volksfest. Heute heißt das Fest »Bürgerversammlung«. Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat am Donnerstag voriger Woche eingeladen, um den Bürgern von Heinersdorf die Gelegenheit zu geben, mit Angehörigen der Ahmaddiyya-Muslim-Gemeinde und Politikern des Bezirks über den geplanten Neubau einer Moschee in Heinersdorf zu diskutieren. Die Versammlung wird begleitet von laufenden Fernsehkameras und einer behelmten Hundertschaft der Polizei.
Bereits am 9. März haben während einer Sitzung des Bauausschusses über 100 Bürger ihre Wut darüber zum Ausdruck gebracht, dass man sie nicht vorab über die Pläne zum Bau einer Moschee in dem Stadtteil informiert habe. In einem Flugblatt, das mit »betroffene Bürger« unterzeichnet war und an die 6 000 Heinersdorfer verteilt wurde, hieß es, dass die höhere Arbeitslosigkeit unter den Muslimen »unser Hab und Gut gefährde«. Es rief unter dem Titel »Moschee im Dörfli nee!« zur Teilnahme an der Bürgerversammlung auf. Bereits auf dem Weg zum Veranstaltungsort, der Turnhalle der Grundschule am Wasserturm, wird man mit der berüchtigten Berliner Schnauze konfrontiert. Auf die Frage, was hier eigentlich los sei, reagieren angespannte Rentner prompt: »Das ist eine Demonstration!« Jugendliche mit gefärbten Haaren bekennen: »Wir wollen hier keine Ausländer!« (...) Am Samstag marschieren dann unter dem Motto »Nein zur Moschee« rund 100 Neonazis durch Pankow. Begonnen wird am Bahnhof Wollankstraße, wo früher die Mauer verlief. »Der Osten wird sich nicht so entwickeln wie der Westen, wo Lehrer und Polizisten vor den Migranten kapitulieren«, verspricht Hähnel während seiner Rede. Zwar seien die Angriffe der Türken auf Europa in den Jahren 1529 und 1683 noch erfolgreich zurückgeschlagen worden. Doch ihr derzeitiger Angriff sei bisher der schwerste: »Heute Kreuzberg! Morgen die ganze Welt.« Der »Migrant« zwinge die Frauen unter das Kopftuch und entfremde die deutsche Heimat, meint die NPD. Die Forderung könne deswegen nur noch lauten: »Mehmet, Ali, Mustafa, geht zurück nach Ankara!«
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