Mittwoch, August 18, 2004
Tödliche Absichten
In der Mailänder Umgebung häufen sich neofaschistische Überfälle gegen linke Militante. Bei einem Übergriff wurden in Mailand sechs Menschen teils schwer verletzt.
Im traditionell linken Stadtviertel Ticinese in Mailand ließen sich Rechtsradikale bislang selten blicken. Seit den sechziger Jahren gilt das im südlichen Teil der Stadt liegende Viertel wegen der Präsenz von sozialen Zentren wie O.R.So oder Cox 18 und von einigen besetzten Häusern als Hochburg des militanten Antifaschismus.
Als aber am 6. August drei rechte Skinheads die Bar Malabestia in der via Conchetta betraten, war sofort klar, dass sie Ärger suchten. Die drei beschimpften den Barkeeper und verließen den Raum, ohne die Getränke zu bezahlen. Als die linken Barbesucher aus dem nicht weit entfernten sozialen Zentrum Cox 18 Verstärkung holten, tauchten noch mehr Skinheads auf, die die ganze Zeit unbemerkt vor der Bar gewartet hatten. Damit hatten die Linken nicht gerechnet. Insgesamt ließen die ca. 30 mit Eisenstangen und Messern bewaffneten Rechten sechs Verletzte zurück, zum Teil mit Messerstichen in lebenswichtigen Organen.
Vor allem aber ist der Eindruck entstanden, dass sich in der Mailänder rechtsradikalen Szene etwas in Bewegung gesetzt hat, dass die Rechtsradikalen dort wieder in die Offensive gegangen sind. Ein erstes Anzeichen dafür gab es im März vergangenen Jahres, als Davide Cesare, ein junger Militanter vom sozialen Zentrum O.R.So, nur einige Straßenecken von der Via Conchetta entfernt von drei Naziskins niedergestochen wurde (Jungle World, 15/03).
»Auch diesmal wollten sie jemanden töten.« Davon sind Autonome und Antifaschisten in Mailand fest überzeugt: »Es war ein Überfall in militärischem Stil: Alle hatten ein Messer in der Hand«, erzählten einige Militante von Cox 18 der linken Tageszeitung il manifesto. Die Faschisten waren bewaffnet und konnten für ca. eine halbe Stunde in der Via Conchetta Panik verbreiten, berichteten Augenzeugen. Unbestätigt bleiben bislang Aussagen von Augenzeugen, wonach der Angriff von einem älteren, am Rande stehenden Mann »geleitet« worden sei, der der Truppe Anweisungen gegeben haben soll. Noch bevor die Polizei eintraf, sammelte sich die Gruppe wieder, stimmte alte faschistische Lieder an und verschwand. Am schwersten wurde ein 31jähriger verletzt, der sich drei Leberoperationen unterziehen musste.
Die Mailänder Antifaschisten sind sich darüber einig, dass dieser Überfall eine neue Vorgehensweise der Rechtsradikalen zeigt. Denn bislang war diese Art vorsätzlicher Übergriffe auf Linke in Mailand eher selten gewesen. Zu Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsradikalen kam es in der Regel immer dann, wenn es dafür einen Anlass gab: bei Demos, linken oder rechten Gedenkveranstaltungen oder Fußballspielen.
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