Mittwoch, Februar 02, 2005

Jungle World - Open Mike für Kameraden

Die NPD knüpft an rechtsextreme Strategien der zwanziger Jahre an und benutzt das sächsische Landesparlament offensiv für ihre Propaganda. Das politische Establishment ist verunsichert. Rundweg erfolgreich«, meint Holger Apfel, seien die ersten 100 Tage der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag gewesen. »Neue Akzente« hätten die Nationaldemokraten gesetzt, sagt der Fraktionsvorsitzende. Mit den Tiraden über den »Bomben-Holocaust« in Dresden sei es ihnen gelungen, »das bundesdeutsche Schweigekartell zu durchbrechen«. »Totschweigen können uns die Altparteien jetzt nicht mehr«, triumphiert der 34jährige Verlagskaufmann. »Die politische Auseinandersetzung brauchen wir nicht zu scheuen.« (...) Die NPD weiß die Möglichkeiten zu schätzen, die ihr der Einzug in den Dresdner Landtag bietet, nicht nur wegen der zehn Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen, die den Abgeordneten und der Fraktion im Verlauf der Wahlperiode zugeteilt werden. Für viel bedeutender hält die Partei den politischen Nutzen. »Eine Parlamentsfraktion ist ein hervorragendes Aufklärungsinstrument«, schrieb der neue Leiter des Parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD, Karl Richter, kürzlich in der extrem rechten Zeitschrift Nation & Europa. »Selbst wo rechte Vorschläge keine Mehrheit finden – und das wird die Regel sein –, tragen sie (…) zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei.« Derzeit »sensibilisiert« die NPD die Öffentlichkeit, was das Zeug hält. Zur Wahl des sächsischen Ausländerbeauftragten im Dezember vorigen Jahres stellte sie einen eigenen Kandidaten auf. Er solle Migranten »zu einer baldigen Heimkehr bewegen«, erläuterte Apfel. Die öffentliche Erregung über die Äußerungen aus der NPD zu den alliierten Luftangriffen auf Dresden im Jahr 1945 ist nur das jüngste Ergebnis der »Sensibilisierungs«-Kampagne der Partei. Politik und Medien empörten sich darüber, Verbotsforderungen wurden erhoben, um ebenso schnell wieder zurückgezogen zu werden. Als Ergebnis bleibt: Man kann in Deutschland den Holocaust auch in den Parlamenten relativieren. Die Parlamentstätigkeit sei ein Instrument, um »mächtige Schneisen in das Dickicht antideutscher Geschichtslügen zu schlagen«, meint der NPD-Abgeordnete Jürgen W. Gansel. Die Provokation mit dem »Bomben-Holocaust« schließt dabei nahtlos an den Revisionismus der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung an. Der Historiker Jörg Friedrich habe den Begriff in seinem Buch über die alliierten Luftangriffe vorbereitet, meint Gansel. Er betont, dass Friedrich »die Bomberflotten ›Einsatzgruppen‹, brennende Luftschutzkeller ›Krematorien‹ und die Toten ›Ausgerottete‹« nenne. Die NPD musste auf der Basis dieser Terminologie die eigene nur noch ein wenig verschärfen, um ihre »Schneise« in das deutsche Geschichtsbewusstsein zu schlagen.

Keine Kommentare: