Montag, April 18, 2005

IDGR - Rechter Aufbau am "Nein" zu Europa

Alles, was rechts ist, wird wach: Im Vorfeld des französischen Referendums über den EU-Verfassungsvertrag am 29. Mai macht auch die nationalistische, rassistische und extreme Rechte aller Schattierungen mobil. Einige Kräfte dieses Spektrums sehen in der Abstimmungskampagne sogar eine Gelegenheit, ihre Organisationen zu neuem Leben zu erwecken oder vor dem bis dahin sicheren Niedergang zu erretten. Um Missverständnisse auszuschließen: Es ist keineswegs das nationalistische bis rechtsextreme Spektrum allein, das sich an der Debatte um den Verfassungsvertag beteiligt, bei der seit einem Monat das "Nein" klar in Führung liegt. Derzeit würden 55 Prozent den Vertragstext ablehnen. Und die Gegenstimmen, die dazu aufrufen, bei der Abstimmung mit "Nein" zu votieren, kommen zahlenmäßig mehrheitlich aus dem linken und gewerkschaftlichen Bereich; der mit Abstand größte Gewerkschaftsverband des Landes - die CGT - beschloss etwa am 2. Februar mit über 82prozentiger Mehrheit, eine "Nein"-Kampagne zu führen. Deren Motive sind völlig anderer Natur als jene der Rechtsextremen. Dennoch ist die Abstimmungskampagne auch für letztere eine günstige Gelegenheit, erneut an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Dabei versucht die extreme Rechte, dem Referendums-Wahlkampf inhaltlich ihren eigenen Stempel zu verpassen. Denn die Themen, an denen sie ihre Ablehnung des Verfassungsvertrags festmacht, sind schwerpunktmäßig andere als die der sonstigen Gegner des Verfassungsvertrags. Die Frage des türkischen EU-Beitritts: Brennglas für Ressentiments Vollkommen im Vordergrund steht dabei die Frage eines zukünftigen türkischen EU-Beitritts. Diese Frage steht in Wirklichkeit überhaupt nicht zur Abstimmung, doch lässt sie sich besonders gut instrumentalisieren, um Ressentiments zu entfachen und zu mobilisieren. Besonders deutlich wird dies beim "Mouvement national républicain" (MNR, National-republikanische Bewegung) unter Bruno Mégret. Der MNR, der 1999 aus der Spaltung des "Front National" - der dominierenden rechtsextremen Partei - hervor ging und damals die Mehrzahl der Parteifunktionäre und Intellektuellen mitnahm, ist in der Folgezeit aufgrund schlechter Wahlergebnisse in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Zur Zeit versucht er, die Aufmerksamkeit während der Abstimmungskampagne zu nutzen, um ein Comeback einzuläuten. Am 18. März stellte Bruno Mégret bei einer Pressekonferenz die Kampagne seiner Partei vor, die unter dem Motto: "Für unser Europa, Nein zur Verfassung, Nein zur Türkei" steht. Der Chef des MNR kritisierte dabei, dass die Verfassung "weder die Grenzen Europas noch seine kulturelle Identität, die auf seinen christlichen Wurzeln beruht" festlege. Am 8. April in Lyon vollzog Mégret jedoch eine Kehrtwende und machte Präsident Chirac das "Angebot", dieser solle sich jetzt verbindlich auf eine Ablehnung des türkischen EU-Beitritts festlegen ­ und der MNR werde zur Annahme des Verfassungsvertrags aufrufen. Doch nicht nur die faschismusähnliche extreme Rechte, sondern auch die Nationalkonservativen und rechtsbürgerlichen EU-Skeptiker rund um Graf Philippe de Villiers versuchen derzeit die Debatte um den Verfassungsvertrag weitgehend auf die "Türkei-Frage" zuzuspitzen und zu polarisieren.

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