Donnerstag, April 21, 2005

Jungle World ··· 16/2005 Antifa ··· Blut & Ehre & Rock’n’Roll

In Flensburg läuft der Prozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Neonazigruppe »Combat 18 Pinneberg« wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Selbstgefällig sitzen die fünf Mitglieder der Neonazigruppe »Combat 18 Pinneberg« auf der Anklagebank. Von der Staatsschutzkammer des Landgerichts Flensburg zeigen sich die Angeklagten wenig beeindruckt. Die Gruppe um den mutmaßlichen Haupttäter, Clemens O., ki chert bei den Zeugenvernehmungen und scherzt in den Verhandlungspausen. Auch die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen im Verhandlungssaal verunsichern die Beschuldigten aus Schleswig-Holstein und Hamburg nicht. »Noch«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Flensburg der Jungle World. Denn bisher hätte die Staatsanwaltschaft längst noch nicht »alle schweren Beweise« vorgetragen. Seit dem 29. März muss sich die »Kampftruppe« vor dem Landgericht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie räuberischer Erpressung verantworten. »Die Angeklagten haben unter anderem CDs mit volksverhetzenden und gewaltverherrlichenden Texten gegen Ausländer, Flüchtlinge, Juden, Punks und Kommunisten hergestellt«, sagt die Staatanwaltschaft. Die Beschuldigten im Alter von 23 bis 30 Jahren sollen die Taten zwischen 2001 und 2003 verübt haben. Die ersten Zeugenaussagen vor Gericht konnten die Anklage, derzufolge O. mit Aktivisten aus der »Kameradschaft Pinneberg« die Gruppe »Combat 18 Pinneberg« nach dem Vorbild des bewaffneten Arms des britischen Neonazinetzwerks »Blood & Honour« aufgebaut habe, nicht stärken. Auch dass die Gruppe »im großen Stil« einen illegalen CD-Handel geführt und von rechten CD-Labels Schutzgeld erpresst haben soll, bestätigten die Zeugen nicht, kommen sie doch selbst aus dem neonazistischen Milieu der Angeklagten. So schwächte ein Rechter den Vorwurf der Körperverletzung ab, indem er betonte: »Nein, ich bin nicht so richtig geschlagen worden«, und zu Boden geschlagen worden sei er schon gar nicht. Zur Zufriedenheit der Angeklagten deutete er noch an, keineswegs wegen Geschäften mit Rechtsrock-CDs unter »Druck« gesetzt worden zu sein. Solche Zeugenaussagen dürften O. dazu bewegt haben, sein früheres Teilgeständnis zurückzuziehen. Bei der Eröffnung der Verhandlung erschien der langjährige Anführer der »Kameradschaft Pinneberg«, die nach Angaben des Verfassungsschutzes etwa 60 Anhänger hat, noch ganz brav und bieder im Anzug. Über seinen Anwalt ließ er erklären, er habe nichts mehr mit der Szene zu tun. Der Verhandlungsverlauf scheint O., der bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist, zu ermutigen, diese Verteidigungsstrategie fallen zu lassen.

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