Dienstag, Februar 08, 2005

taz 7.2.05 Vom Haudrauf-Skin zum Pop-Nazi

Die Kameradschaften denken um: Die erfolgreiche NPD wird nicht mehr als parlamentarisch verachtet Sie heißen "Märkischer Heimatschutz" oder "Pommersche Aktionsfront" - und sie gewinnen immer mehr Einfluss. Der Verfassungsschutz vermutet, dass die Zahl der gewaltbereiten Neonazis im vergangenen Jahr um 800 auf nun insgesamt 3.800 Personen gestiegen ist. Der Erfolg von Kameradschaften beruht auf ihrer zunehmenden Attraktivität vor allem in Ostdeutschland - und zwar weit über die rechte Szene hinaus. Diese Entwicklung versucht sich die NPD zunutze zu machen. Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Partei gegen Neonazis wurden aufgehoben, Parteichef Udo Voigt erklärte, man müsse auch Rechten, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennen, eine Heimat in der NPD geben. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen ist die NPD auch für die Kameradschaften interessanter geworden. Noch vor einem Jahr galt die NPD den Kameraden als eine der schwerfälligen und zu wenig radikalen Parteien, von denen man sich Anfang der 90er nach einer Verbotswelle gegen neonazistische Organisationen eigentlich lösen wollte. Ihr Weg: "nationaler Widerstand" in losen und juristisch kaum angreifbaren Zellen. Mehr als die Zusammenarbeit bei Protestaufmärschen hatten die parlamentarisch orientierte NPD und die sich gerne als revolutionär empfindenden Kameraden lange nicht gemein. Heute hingegen sitzen prominente Kameraden in der Partei. Zu Masseneintritten aus dem Kameradschaftsspektrum ist es auch jetzt nicht gekommen. Die NPD hofft aber auf auf die Loyalität eines losen Netzwerks militanter Neonazis. Die deutschlandweit 160 Kameradschaften könnten die Funktion übernehmen, an der die NPD-Jugendorganisation Junge Nationale bislang gescheitert ist: bei der politisch noch unbedarften Jugend für den rechtsextremen Nachwuchs zu sorgen. "Die Spaßgesellschaft ist auch bei uns am Ende", behauptet Sachsens NPD-Fraktionschef Holger Apfel. "Diese Jugend will wieder politisch arbeiten." Apfel und seine Genossen stellen sich einen Deal vor: Die Kameraden geben ihnen Nachwuchs, sie den Kameraden politische Bedeutung.

Keine Kommentare: