Donnerstag, August 11, 2005

Jungle World ··· 32/2005 Antifa ··· Nichts sehen, nichts hören

Wie zu den Zeiten der verbotenen »Skinheads Sächsische Schweiz« prügeln die Neonazis in Pirna, während die Polizei zuschaut. Nun wird auch gegen Polizisten ermittelt. von Ein ganz normaler Samstag in Pirna. Neonazis greifen andere Jugendliche an. »Sieg Heil!« brüllen die Angreifer. Die Polizei kommt zu spät, um sie zu fassen. Aber im Unterschied zu anderen Samstagen ist ein Team der ARD-Sendung »Kontraste« vor Ort und interviewt die Betroffenen. »Da habe ich mich umgedreht«, erzählt einer von ihnen, »da stand ein Nazischläger hinter mir und hat gesagt, ›dich kriegen wir auch noch‹, und hat mir mit einem Schlagring in der Faust ins Gesicht geschlagen.« Eine Platzwunde unter dem Auge und den Verdacht auf Jochbeinbruch trägt er davon, bei seinem Freund besteht der Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma. Über die Polizei sagt einer der Jugendlichen: »Nachher hab ich selber noch gehört, wie sie gesagt haben, dass sie die Suche nach den Leuten einstellen, obwohl wir eigentlich, viele Leute von uns, eine passende Beschreibung abgegeben haben.« (...) Wie Ende der neunziger Jahre, zu Zeiten der Skinheads Sächsische Schweiz, überfallen in Pirna wieder regelmäßig rechte, vermummte Jugendliche in Gruppen bis zu 25 Personen alternative Jugendliche, die sie zum Beispiel grillend an den Elbwiesen finden. Der Verdacht drängt sich auf, dass ehemalige Mitglieder der SSS an den Überfällen beteiligt sein könnten. Gegen vier verurteilte Mitglieder der früheren Skinheadorganisation läuft derzeit ein Verfahren wegen Fortführung der verbotenen Vereinigung. Andere sind mittlerweile in der NPD aktiv. Der Pirnaer NPD-Stadtrat Mirko Liebscher beschreibt den Journalisten von »Kontraste«: »Man kennt sich, man geht auf Veranstaltungen. Man geht mal ein Bier trinken. Eine normale Freundschaft.« Liebscher leitet gemeinsam mit Thomas Rackow, früher SSS, die Ortsgruppe der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD. Schon im Umgang mit der SSS war der Polizei häufig vorgeworfen worden, sie habe nicht auf Hilferufe reagiert, etwa als um das Jahr 2000 wiederholt das kleine Restaurant der türkischen Familie Sendilmen in der Innenstadt angriffen worden war. Die Großrazzia gegen die Skinheadvereinigung im Juni 2000, bei der das Sächsische Landeskriminalamt unter anderem auf zwei Kilogramm TNT, Sprenggranaten, Gewehre, Pistolen, scharfe Zündvorrichtungen und rechtsextremes Propagandamaterial stieß, hatte ohne das Wissen der Pirnaer Polizei stattgefunden. Man befürchtete, dass die Neonazis davon erfahren könnten.

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