Freitag, März 11, 2005
Freitag 10 - Die symbolische Gewalt
KEIN BETRIEBSUNFALL*Wer vom Rassismus nicht spricht, sollte vom Rechtsextremismus schweigen
Alle Jahre wieder die gleiche Aufregung über den Rechtsradikalismus. Möglicher Anlass I: Es gibt irgendwo in der Republik gewaltsame Anschläge auf Migranten oder Juden. Möglicher Anlass II: Es gibt einen Wahlerfolg einer rechten Partei bei einer Landtagswahl. Kürzlich ist in Sachsen bekanntlich Anlass II aufgetreten. Die Aufregung läuft dann fast nach einem Drehbuch ab. Händeringend wird nach Ursachen geforscht. Diese werden von zahlreichen Kommentatoren, die sich gewöhnlich nicht mit dem Thema befassen, in den üblichen Konsens-Ursachen für alles und jedes gefunden: Es gibt zuviel Arbeitslosigkeit; die Leute sind unzufrieden mit der politischen Klasse und wählen aus Protest rechts. Oder: Der Osten ist braun. Gern genommen wird auch immer wieder: Die Deutschen haben eine Identitätskrise. Bei Sabine Christiansen meinte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck ganz ernsthaft, dass die Attraktivität von Rechtsradikalismus aus einem Mangel an einheimischer Jugendkultur geboren sei: Würde es nur anstatt all dieser Importe aus den USA mehr genuin deutsche Angebote geben, dann würde sich diese Sache mit dem Nazi-Rock und der NPD bald erledigen. Schnell etabliert sich auch eine Volksfront der rechtschaffenen Demokraten. Schon am Wahlabend wurden die NPD-Vertreter von einer ganz großen Koalition aus allen Parteien und allen Medienleuten solange erstickt, bis sogar mögliche Opfer von rechtsradikalen Übergriffen Mitleid bekamen. Das Auftauchen von Rechtsradikalen bietet stets Gelegenheit für einen weiteren "Aufstand der Anständigen" - eine emotionale Bestätigung "unserer" Demokratie.
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