Montag, November 14, 2005

PROFIL Online: Architektur: Braune Bauten

Der Streit um das „Führerzimmer“ im Wiener Volkstheater illustriert das alte Dilemma im Umgang mit der in Österreich allgegenwärtigen nationalsozialistischen Architektur: abreißen oder ausstellen? Jahrzehntelang nahm niemand Notiz von den nussbraunen Holzvertäfelungen, mit denen im Direktionsbereich des Wiener Volkstheaters ein Zimmer und eine Stiege ausgekleidet waren. Kein Architekturhistoriker hat dort je Einlass in den stets unverschlossenen Raum begehrt, um eine der „letzten erhaltenen Innenraumgestaltungen der NS-Zeit“, wie es im Jargon der Denkmalpflege nun heißt, zu besichtigen. Erst als der neue Volkstheater-Intendant Michael Schottenberg vor wenigen Monaten mit Vertretern des Denkmalamts durch das Theater spazierte, um kleinere Umbauten zu besprechen, mit denen das Haus zur neuen Spielzeit aufgefrischt werden sollte, kam es im vertäfelten Besprechungsraum zum Eklat. Als Schottenberg erstmals das Wort „Führerzimmer“ hört und ihm an Ort und Stelle erklärt wird, dass „hier nichts angetastet werden“ dürfe, regt sich Widerwillen in ihm. Er protestiert vehement gegen solche Vorschriften – und riskiert bei der Premiere von Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ eine Kraftprobe. Während das echte Zimmer demontiert und in den Ruhestand nach Unterwaltersdorf geschickt wird, wo es nun im Kulissendepot des Volkstheaters lagert, wird als Kulisse für das Bernhard-Stück eine Replik gezeigt, die drei alten Nazis als Wohnstätte dient.

Keine Kommentare: