Donnerstag, September 09, 2004
< sz-online | sachsen im netz > - Braune Geschenke für die Schüler
Sachsens NPD verteilt 25 000 CDs mit rechtsnationaler Musik an Jungwähler – und die Behörden reagieren zu spät, fehlerhaft oder gar nicht
Die Jugendlichen fielen kaum auf im wochenendlichen Gewühl und Gedränge. Sie liefen durch die Massen, verteilten Geschenke: eine silberne Scheibe mit grün-weißem Booklet. „Schnauze voll?“ stand darauf, „Wahltag ist Zahltag“ und „NPD – die Nationalen“; die Propaganda-CD der Partei mit so genannter nationaler Musik hatte am Tag der Sachsen in Döbeln ihren ersten öffentlichen Auftritt. Sie ist Bestandteil der NPD-Jungwähleroffensive, 25 000 Stück sollen an junge Menschen verteilt werden, vornehmlich Schüler. Schließlich, so Holger Apfel, sächsischer NPD-Spitzenkandidat der Landtagswahl, sei „volkstreue Musik ein entscheidendes Element zur Wahrung nationaler Identität“ und „im Medienzeitalter für die Vermittlung politischer Botschaften immer wichtiger“.
„Ein Volk, ein Wille, Heil dem Reich“
Doch daraus wird nichts. Jedenfalls nicht in vollem Umfang. Am Dienstag um 17.30 Uhr trafen Einsatzkräfte der Polizei beim NPD-Verlag „Deutsche Stimme“ in Riesa ein und beschlagnahmten alle dort noch lagernden CDs – ganze 800 von 25 000.
Der Eingriff erfolgte zu spät – und auf Grund eines fehlerhaften Beschlusses. Ausgestellt hatte ihn das Amtsgericht Riesa mit der Begründung, ein Lied der CD enthalte die strafrechtlich relevante Textpassage „Ein Volk, ein Führer, Heil dem Reich“. Das aber ist falsch. Vielmehr heißt es in dem Stück „Ein Volk, ein Wille, Heil dem Reich“. „Die korrekte Textstelle ist in keiner Weise strafbar“, behauptet Jens Pühse aus der Wahlkampfleitung der NPD, man habe daher unverzüglich gegen die Beschlagnahme Rechtsmittel eingelegt. Das bestätigte Rita Löffler, die den Beschluss ausgestellt hatte. „Wir werden jetzt prüfen, ob auch der richtige Satz oder andere Lieder der CD strafrechtlich relevant sind“, sagt die Riesaer Amtsrichterin.
Die Geschichte dieses Vorfalls ist eine von Pleiten, Pech und Pannen – und vom taktisch raffinierten Vorgehen der NPD. Die Idee ihrer CD-Aktion hat ein großes „Vorbild“. Schon vor Monaten wurde eine geplante bundesweite „Aktion Schulhof“ bekannt: 250 000 CDs sollten an Schulen verteilt werden. Dagegen schritt der Verfassungsschutz ein. Zwei Lieder befand das Amtsgericht Halle für „schwer jugendgefährdend“ und verbot die CDs.
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